Absturz bei den Bundestagswahlen Wie geht es bei der Union weiter?

Analyse | Berlin · CDU und CSU schwanken derzeit zwischen Katastrophenstimmung und verzweifelter Hoffnung. Knapp eine Woche nach der Wahl scheint unklar, wohin die Konservativen steuern - und mit wem. Ein Überblick.

Armin Laschet, Unions-Kanzlerkandidat, gibt nach der ersten Fraktionssitzung der Union ein Pressestatement. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Armin Laschet, Unions-Kanzlerkandidat, gibt nach der ersten Fraktionssitzung der Union ein Pressestatement. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Wer ist abgetaucht?

Angela Merkel:

„In der Woche vom 4. bis 10. Oktober 2021 finden keine Pressetermine im Bundeskanzleramt statt“, heißt es in einer Presseerklärung Kanzlerin Merkel war auf den letzten Metern für Unions-Kanzlerkandidat Laschet sehr in die Bresche gesprungen. Zum Wahldebakel der Union sagt sie nun genau: Nichts.

Wolfgang Schäuble. Der 79-Jährige sprach dem Vernehmen in den CDU-Gremien nach der Wahl kein Wort. Vor dem Urnengang mahnte Schäuble noch, es stehe „Spitz auf Knopf“. Das war auch in eigener Sache gemeint. Denn der noch amtierende Bundestagspräsident wird sein Amt nicht behalten. Besonders schwer wiegt für viele in der Partei aber, dass er Laschet als Kanzlerkandidaten durchgesetzt und Merkel für schuldig erklärt hat. Und nun öffentlich schweigt.

Volker Bouffier. In der berühmten Nacht im April war es der hessische Ministerpräsident, der zusammen mit Schäuble die Kanzlerkandidatenfrage gegen CSU-Chef Markus Söder entschied. Das hat ihm die CSU nicht vergessen. Auch Bouffier sagt zum Wahldesaster und seinem Anteil daran am liebsten gar nichts. Er ist aber mit im Verhandlungsteam für die Jamaika-Sondierungen. Das verstehen in der Partei nur noch die Wenigsten. Sein Autoritätsverlust ist groß.

Wer will sich profilieren?

Ralph Brinkhaus Der Ostwestfale hat früh seine Ansprüche auf den erneuten Fraktionsvorsitz angemeldet - und nimmt dafür vieles in Kauf. Er hat sich Laschet nicht gebeugt, sondern den eigenen Machtanspruch durchgesetzt. Am Ende gab es einen Kompromiss für sieben Monate. Sicher ist: Brinkhaus wird nicht aufstecken.

Friedrich Merz Der frisch in den Bundestag gewählte Sauerländer legt sich zur Zeit Zurückhaltung auf. Ein Dampfer, der gerade sinkt, den muss man nicht steuern. Klar ist aber auch: Merz ist zurück im Bundestag und in der Bundespolitik. Er wird eigene Ambitionen auf Höheres nur vorübergehend zurückhalten.

Alexander Dobrindt: Der CSU-Mann kann sich seines Postens sicher sein. Während die CDU noch über den Fraktionsvorsitz stritt, hatte sich Dobrindt von der CSU-Landesgruppe bereits mit 85 Prozent als Vorsitzender bestätigen lassen. Das gibt ihm die Sicherheit, mahnende Worte in Richtung CDU zu schicken: Dobrindt warnt vor weiteren Folgefehlern nach der Wahlschlappe.

Wer steht in den Startlöchern?

Jens Spahn. Der Mann aus dem „Team Laschet“, noch Gesundheitsminister, sucht offenbar händeringend nach einem neuen Job. Schon weit vor der Wahl sondierte der 41-Jährige intern seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur. Jetzt soll er zwei Posten im Visier haben: Den des Fraktionschefs, falls die Union in die Opposition geht. Und die des möglichen Parteichefs, sollte Laschet endgültig scheitern. Dazu passt, dass selbst er jetzt eine CDU-Erneuerung fordert.

Daniel Günther: Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein steht mit seinen 48 Jahren für die Generation nach Angela Merkel. Nach der Wahlniederlage beschrieb er die Lage der CDU als „dramatisch“ und benannte auch klar den mangelnden Zuspruch für Laschet. Dass Günther trotz der klaren Worte Teil des CDU-Sondierungsteams ist, spricht für sein parteiinternes Ansehen. Eine sinnvolle Wahl, schließlich führt Günther im Norden ein Jamaika-Bündnis.

Norbert Röttgen: Auch wenn er beim Rennen um den Parteivorsitz im Januar unterlegen war, ist Röttgen immer noch im Spiel. Er wird als möglicher Fraktionsvorsitzender oder gar Parteichef gehandelt, sollten sich Ralph Brinkhaus und Armin Laschet auf diesen Posten nicht halten. Sein Vorteil: Er gilt als kluger Kopf, der die Partei glaubwürdig modernisieren könnte. Sein Nachteil: Er kommt wie viele andere Aspiranten aus NRW, hat im dortigen Landesverband nicht viele Freunde.

Wer wird es schwer haben in den nächsten Monaten?

Armin Laschet Die Kritik am Wahlkampf und der Strategie des Kanzlerkandidaten und CDU-Vorsitzenden wird auch innerparteilich lauter. Die öffentlichen Umfragen strafen ihn ab. Noch aber gibt es keinen Herausforderer. Laschet selbst glaubt noch an ein Jamaika-Bündnis. Viele andere winken ab. Seine politische Zukunft schwankt zwischen Kanzler und einfachem Bundestagsabgeordneten.

Paul Ziemiak. Als Armin Laschet ihm in den Gremien zum Sieg in seinem Wahlkreis gratulierte, soll es nur müden Applaus gegeben haben. Kein Wunder. Ziemiak ist der verantwortliche Wahlkampfmanager, das Debakel bei der Bundestagswahl geht auch auf seine Kappe. Doch von Selbstkritik ist nur wenig zu hören. In der Partei gibt es Stimmen, die eigentlich einen Rücktritt des 36-Jährigen erwartet hätten. Stattdessen darf er jetzt sondieren.

Markus Söder: Auch der CSU-Chef steht unter Druck. Seine Querschüsse gegen Laschet sind Ausdruck davon. Selbst in der eigenen Partei werden die Manöver kritisiert. Das 31,7-Prozent-Ergebnis der CSU in Bayern vom Sonntag stellt die CSU nicht zufrieden. Söder blickt bereits auf die Landtagswahl in zwei Jahren. Ein nach CSU-Maßstäben schwaches Ergebnis wie 2018 (37,2 Prozent) kann er sich kein zweites Mal leisten. Insider glauben, dass Söder auf eine Ampel im Bund spekuliert, um sich in Bayern zu profilieren.

(mün, jw, has)
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