Brauns Provokation

Ludwig Georg Braun hat einen Stein ins Wasser geworfen, der hohe Wellen schlägt. Seine mehr oder minder unverblümte Aufforderung zur Abwanderung deutscher Betriebe ins (billigere) Ausland wird als Provokation empfunden. Dabei wäre eine nüchterne Bestandsaufnahme angebracht. Nicht erst seit gestern ziehen namhafte Unternehmen von Siemens über Deutsche Bank bis MAN den asiatischen oder osteuropäischen Raum vor. Das ist zunächst einmal nichts Verwerfliches. Soll doch gerade die Osterweiterung der EU dazu dienen, das Lebensniveau der neuen Mitgliedsstaaten auf europäischen Standard zu heben. Ohne neue Produktionsstandorte ist das nicht zu schaffen. Allerdings bleibt die Frage, ob das Engagement deutscher Betriebe automatisch mit einem dramatischen Arbeitsplatzverlust in der Heimat verbunden sein muss. So manches Unternehmen hat sich in freudiger Erwartung auf den schnellen Euro schon kräftig verkalkuliert. Vielleicht brauchen wir wirklich so etwas wie eine neue Unternehmer-Kultur, die sich auch am Wohlergehen des eigenen Landes ausrichtet. An dieser Stelle kommt in aller Regel der Verweis auf das riesige politische Reformdefizit. Doch auch Industriebosse räumen ein, dass sie von der rot-grünen Veränderungsbereitschaft nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Der Kanzler musste dafür sogar seinen Job als SPD-Chef kündigen. Über die neuen Gesetze zum Arbeitsmarkt und zu den Sozialsystemen kann man sicher streiten. Aber niemand wird behaupten können, dass die Republik im politischen Stillstand verharrt. Deshalb genügt es nicht, immer nur mit dem Finger nach Berlin zu zeigen. Auch die Wirtschaft muss ihre Hausaufgaben machen. Die Äußerungen des DIHK-Chefs helfen jedenfalls nicht weiter. nachrichten.red@volksfreund.de

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