Der Reformer und die Radikale

Berlin · Vom Solo zum Duo: Wie erwartet schlug die Parteiführung der Linken gestern offiziell Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als Nachfolger von Fraktionschef Gregor Gysi vor, der im Oktober nicht mehr für das Amt kandidiert.

Berlin. Der Auftritt von Parteichef Bernd Riexinger nach der Sitzung des geschäftsführenden Vorstands gestern in Berlin erinnerte ein bisschen an alte DDR-Zeiten: Er wolle die Öffentlichkeit darüber "unterrichten", dass seine Co-Chefin Katja Kipping und er den Vorschlag unterbreitet hätten, Wagenknecht und Bartsch im Oktober als Fraktionsspitze zu wählen und dass der Vorstand dem "ohne Gegenstimme" gefolgt sei.
Da dieser "Vorschlag" praktisch schon seit dem Bielefelder Bundesparteitag am vorletzten Wochenende feststand, wirkte die stocksteife Äußerung etwas skurril. Allerdings bestimmen die Regularien bei den Linken tatsächlich, dass das Vorschlagsrecht für die Fraktionsführung nicht wie allgemein üblich bei der Fraktion liegt, sondern bei den Parteivorsitzenden. Das letzte Wort, oder besser, die entscheidenden Stimmen, haben gleichwohl die 64 Abgeordneten der Linken. Die Wahl des Fraktionsvorstands ist für den 13. Oktober angesetzt.
"Zwei starke Persönlichkeiten"


Dass Wagenknecht und Bartsch eine Mehrheit bekommen werden, ist zumindest nach derzeitigem Stand sicher. "Das sind zwei starke Persönlichkeiten, die eine starke Leitung bilden können", sagte der Linksabgeordnete Wolfgang Gehrke.
Künftig gelte: Wer Wagenknecht wolle, müsse Bartsch auf dem Zettel haben, und umgekehrt gelte das auch. Hinter vorgehaltener Hand ist die Stimmung unter vielen Parteigängern allerdings weniger euphorisch. Wagenknecht ist die Protagonisten des radikalen Parteiflügels, Bartsch steht für das Reformerlager bei den Linken. Schon das verspricht nicht unbedingt ein gedeihliches Miteinander.
Hinzu kommt, dass die 45-jährige gebürtige Thüringerin zwar ein großes Redetalent ist, den Niederungen der Fraktionsarbeit kann die frühere Frontfrau der "Kommunistischen Plattform" allerdings kaum etwas abgewinnen.
Bartsch dagegen gilt als professioneller Organisator. Dafür hat er allerdings inhaltlich kaum Profil. Der 57-jährige gebürtige Stralsunder war einst Wahlkampfleiter der PDS und lange Zeit Bundesgeschäftsführer, bis er sich 2010 mit dem damaligen Parteichef Oskar Lafontaine überwarf.
Dass Sahra Wagenknecht inzwischen mit dem Saarländer verheiratet ist, dürfte auch nicht unbedingt ein Pluspunkt im persönlichen Verhältnis der beiden designierten Fraktionsvorsitzenden sein.

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