Lust auf Selbstzerfleischung

Die Linkspartei ist in einer paradoxen Situation: Einerseits eilt sie von einem guten Wahlergebnis zum nächsten, andererseits droht sie an ihren inneren Widersprüchen kaputtzugehen.

Und beides hat mit einer Person zu tun, die sich aus gesundheitlichen Gründen politisch rar gemacht hat: Parteichef Oskar Lafontaine.

Der Saarländer gilt als Garant für die linken Erfolge im Westen. Seit er an einem Krebsleiden laboriert, scheinen bei der Linken jedoch die Mäuse auf dem Tisch zu tanzen.

Aus westdeutschen Landesverbänden kam der unverhohlene Ruf nach einem Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch wegen dessen Illoyalitäten gegenüber Lafontaine. Mit der öffentlichen Bekanntmachung dieses Missstands auf der Jahresauftaktveranstaltung der Linksfraktion gestern in Berlin ist Bartsch in diesem Amt auch tatsächlich verbrannt - ganz gleich, ob Lafontaine weiter Vorsitzender bleiben wird oder nicht. Die Personalquerele steht allerdings nur stellvertretend für den ungeklärten politischen Kurs der Linken.

Für die Genossen im Osten ist Bartsch eine Schlüsselfigur, damit die Partei nicht völlig auf die radikale Bahn gerät, wie es viele West-Genossen am liebsten hätten. Jetzt rächt sich, dass die Linke nach dem Zusammenschluss von PDS und WASG eine zügige programmatische Grundsatzdebatte gescheut hat - mit dem ausdrücklichen Segen Lafontaines. Will man Regierungspartei sein oder Fundamentalopposition? Diese Schlüsselfrage ist offen. Und weil das so ist, macht bei den Linken jeder, was er für richtig hält: Realos kämpfen gegen Radikalinskis, Strukturkonservative gegen Sektierer, Ost gegen West. Lafontaine hat das alles nicht gekümmert. In seinen Augen ist das linke Parteiprojekt in erster Linie dazu da, um der SPD zu schaden. Bleibt es dabei, wird der Saarländer irgendwann das einreißen, was er selbst mühsam aufgebaut hat.

nachrichten.red@volksfreund.de

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