Nicht mehr im Gleichklang?

Berlin · In Berlin wird gemunkelt. Ziehen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) in der Griechenland-Politik noch an einem Strang? Unser Korrespondent versucht eine Analyse.

Berlin. Einige Akte der griechischen Tragödie werden in dieser Woche auch unter der Reichstagskuppel aufgeführt werden. Am Donnerstag steht die mit Spannung erwartete Regierungserklärung der Kanzlerin auf der Tagesordnung. Dabei besonders unter Beobachtung: ihr Finanzminister.
Sind beide noch "ziemlich beste Freunde", wie der Titel eines Films lautet, den sie sich einmal zusammen im Kino angesehen haben? Oder hat die Griechenlandkrise aus Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ziemlich beste "Ex-Freunde" gemacht? In den letzten Tagen hat sich in Berlin der Eindruck verfestigt, dass das Duo nicht mehr gänzlich an einem Strang zieht. Sie will Griechenland unbedingt im Euro halten, natürlich nicht ohne Bedingungen. Aber Merkel will das Scheitern der eigenen Griechenlandpolitik verhindern und einen politischen Makel abwenden.
Schäuble sieht hingegen im "Grexit", dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone, schon eine Option. Hinter den Kulissen soll bereits an Szenarien gearbeitet werden, auch wenn das immer wieder bestritten wird. Europa ohne Regeln, das geht aus Schäubles Sicht nicht.
Hörte man sich gestern um, so wollte niemand bestätigen, dass es knirscht zwischen Kanzlerin und Finanzminister. Es gebe eine "produktive Arbeitsteilung", ließ das Finanzministerium verlauten.
Doch ist dem tatsächlich so? Der Eindruck ist ein anderer. Merkel und Schäuble verbindet eine komplizierte Beziehung. Er war einmal CDU-Chef und sie seine Generalsekretärin, bis sie ihn dann ablöste. Merkel war es, die seinen Aufstieg zum Bundespräsidenten verhinderte. Doch Schäuble ist loyal bis zur Selbstaufgabe.
Merkel weiß allerdings auch: Ohne Wolfgang Schäuble hätte sie es schwer, die Mehrheit im Bundestag bei Griechenland-Abstimmungen zu bekommen. Der 72-Jährige ist schließlich nicht irgendein Minister im Kabinett - er gilt als Merkels wichtigster Mann. Sie darf ihn daher nicht düpieren. Vor allem dann nicht, wenn es um Griechenland geht.
Hagen Strauß

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