Duell der Dynastien: Bush gegen Clinton

Washington · Der Republikaner Jeb Bush kündigt - wenn auch arg verschwurbelt - seine Präsidentschaftskandidatur an. Der 61-Jährige ist der jüngere Bruder des Ex-Präsidenten George W. Bush. Von Hillary Clinton ist länger bekannt, dass sie das Weiße Haus erorbern will. Dort residierte sie schon einmal: als Präsidentengattin.

Washington. Ein Rest an Vorsicht muss bleiben, so gehört es nun mal zum Geschäft. Im Grunde hat Jeb Bush gerade seine Bewerbung fürs Weiße Haus verkündet, nur eben versehen mit ein paar rhetorischen Schlenkern, damit keiner sagen kann, er breche ungeschriebene Regeln, indem er viel zu früh an den Start gehe, nahezu zwei Jahre vor der nächsten Wahl. "Ich freue mich, bekanntgeben zu können, dass ich die Möglichkeit, für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu kandidieren, aktiv sondieren werde", ließ der Republikaner via Twitter wissen. Im Januar, fügte er auf Facebook hinzu, wird er ein PAC gründen, ein politisches Aktionskomitee.
Die Wahl der Kommunikationswege soll beweisen, dass soziale Medien auch für einen 61-Jährigen wie Bush keine böhmischen Dörfer sind. Und mit einem PAC lassen sich prima Spenden sammeln. Mit anderen Worten, die Kampagne hat de facto begonnen, ohne dass der offizielle Startschuss gefallen ist. Überrascht hat es keinen, man ahnte es ja, seit Barbara Bush die Ambitionen ihres Sohnes mit ein paar wohlwollenden Halbsätzen kommentierte.
Im April 2013 hatte das noch ganz anders geklungen. Da hatte Matt Lauer, ein Moderator des Frühstücksfernsehens, die alte Lady gefragt, was sie denn von Jebs Kandidatur halten würde. Die Antwort hörte sich an wie eine verzweifelte Klage, vielleicht war es auch nur gut gespielt, vielleicht wollte sich die Familie noch ein wenig bitten lassen, jedenfalls hielt Barbara Bush überhaupt nichts von der Idee. "Das ist ein großartiges Land. Es gibt viele großartige Familien. Es gibt andere Leute, die sehr qualifiziert sind, und wir hatten schon genug Bushs (im Weißen Haus)." Spricht die Matriarchin, pflegt der Clan respektvoll zu schweigen. Da sie nichts mehr einzuwenden hat, bedeutet das: Die Würfel sind wohl endgültig gefallen.
Damit bahnt sich schon wieder ein Duell der Dynastien an, Bush gegen Clinton, ein Kräftemessen, wie es in der Aufbruchsstimmung um den Senkrechtstarter Barack Obama der Vergangenheit anzugehören schien. Nun sieht es so aus, als wäre der zweifache Wahlsieg Obamas nur die berühmte Ausnahme gewesen, welche die Regel bestätigt. Die kurze Unterbrechung einer Endlosschleife. 1988 wurde ein Bush gewählt, 1992 ein Clinton, 2000 ein Bush, und wenn 2016 Hillary Clinton das Rennen macht, steht es unentschieden.
Es gibt Familienmitglieder, die gerade aus der Rivalität der beiden Blöcke enorme Motivation ziehen. Als Jeb sich noch zierte, gab sein älterer Bruder George W., der Chronik nach die Nummer 43 im Oval Office, dem Radiosender NPR ein Interview, in dem er den Jüngeren anstachelte wie ein Football-Trainer vor dem Super-Bowl-Finale. "Jemand kam mal zu mir und sagte, wissen Sie, die Aussicht auf Bush-Clinton-Bush-Obama-Bush, das gefällt mir nicht." Darauf er: "Würde Ihnen dies etwa besser gefallen: Bush-Clinton-Bush-Obama-Clinton?"
Bei den Demokraten heißt es umgekehrt, wer Hillary nicht unterstützt, der ebnet einem Bush zum dritten Mal den Weg in die Machtzentrale - "Wollt ihr das wirklich?"
Eigentlich ist es paradox. Als sich die amerikanische Republik von der britischen Monarchie löste, träumten ihre Gründer von einem Musterland mit radikaler Chancengleichheit. Die Fähig sten sollten regieren, nicht die Blaublütigsten wie im alten Europa. Die Verfassung verbietet das Verleihen von Adelstiteln, das landläufige Politikerideal ist in dem Kinofilm "Mr. Smith geht nach Washington" melodramatisch beschrieben: der klassische Underdog, ein unterschätzter Pfadfinder, der in den Senat einzieht und alle überrascht, indem er löwenmutig gegen verfilzte Seilschaften ankämpft. Aber das ist die Theorie, und manchmal ist sie ziemlich grau.
In Wahrheit pflege die Nation eine heimliche Liebesbeziehung zu Dynastien, sagt Barbara Kellerman, Politikprofessorin an der Universität Harvard. Erstens erklärt es Kellerman mit nostalgischen Gefühlen, was man im Übrigen schon daran erkennt, dass sich "Downton Abbey", eine englische Fernsehserie über eine Adelsfamilie am Anfang des 20. Jahrhunderts, phänomenaler Einschaltquoten erfreut. Zweitens, sagt Kellerman, liege es am Star-Kult à la Hollywood, der auch um Washington keinen Bogen mache. Drittens sichere ein hoher Wiedererkennungswert von vornherein ein engmaschiges Netz betuchter Gönner.
Russ Baker, Autor eines Buches über den Bush-Clan, charakterisiert das Phänomen als Paradebeispiel amerikanischer Scheinheiligkeit. "Wir sind neidisch auf die Briten und ihre Königsfamilie, und obwohl wir immer erzählen, dass es bei uns ein jeder aus dem Nichts schaffen kann, sind wir förmlich besessen vom Statusdenken." Namen wie Kennedy, Bush oder Clinton vermittelten Joe und Jane Normalverbraucher - fast wie ein Anker - ein Gefühl der Sicherheit, "so dass wir uns kaum noch fragen, für welche Substanz sie eigentlich stehen". Hillary Rodham Clinton hat ihre Anwartschaft aufs Oval Office praktisch bereits im Sommer angemeldet, als sie mit ihrem Memoirenband "Hard Choices" von Aula zu Aula tourte. In den Reihen der Demokraten scheint sie im Augenblick unangefochten, auch wenn warnende Stimmen daran erinnern, dass eine Partei mit ausgeprägter Streitkultur eine Favoritin nicht einfach krönt.
Bei John Ellis "Jeb" Bush liegen die Dinge anders. Mindestens zwei Konkurrenten rechnen sich gute Chancen aus, der kubanischstämmige Senator Marco Rubio aus Miami und Chris Christie, der ebenso schwergewichtige wie wortgewaltige Gouverneur New Jerseys. Ein Dritter wäre Mitt Romney, der mit dem Gedanken an ein Comeback spielt. Seit sich Bush 2007 aus dem Gouverneurspalast Floridas verabschiedete, hat er kein öffentliches Amt mehr ausgeübt. Die Kunst der harten Debatte im Scheinwerferlicht, geben die Skeptiker zu bedenken, muss er erst wieder lernen.

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