"Eine Einschulung kostet 300 Euro"

Der Deutsche Kinderschutzbund unterstützt Pläne von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), das Kindergeld ab 2009 nach der Kinderzahl zu staffeln. "Das halte ich für richtig", so Präsident Heinz Hilgers im TV-Interview.

Berlin. (has) Nach Auffasung von Hilgers hilft die geplante Kindergelderhöhung von zehn Euro Familien nur "sehr wenig". Mit Hilgers sprach TV-Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Hilgers, was ist wichtiger: Mehr Kindergeld oder der Ausbau der Kinderbetreuung?

Hilgers: Beides ist wichtig. Ich bin dagegen, dass man das gegeneinander ausspielt. Der Fehler, der jetzt gemacht wird, ist, dass man auch den Kinderfreibetrag erhöhen will. Im Ergebnis führt das dazu, dass die Menschen, die viel verdienen, 15 Euro Kindergeld erhalten, der Durchschnittsbürger voraussichtlich nur zehn, und die Hartz IV-Empfänger kriegen keinen Cent.

Sie sagen es, zehn Euro mehr Kindergeld sind angedacht. Hilft das den Familien?

Hilgers: Das hilft sehr wenig. Eine Einschulung kostet 300 Euro, und wenn jemand sein Kind in eine Ganztagsgrundschule bringt, dann sind in der Regel bis zu 150 Euro im Monat weg. Fahrtkosten, Lernmittel, selbst bei einer normalen Schule muss man mit Kosten von 100 Euro im Monat rechnen. Von Lehr- und Lernmittelfreiheit, von kostenloser Bildung kann in Deutschland also keine Rede mehr sein. Da sind zehn Euro mehr Kindergeld sehr wenig.

Ministerin von der Leyen will die Höhe des Kindergeldes nach der Kinderzahl staffeln - ist das ein richtiger Ansatz?

Hilgers: Das halte ich für richtig. Eltern mit mehreren Kindern sind nun mal besonders benachteiligt. Die Realität ist: Wer 2500 Euro verdient, wird bei drei bis vier Kindern meist zum Aufstocker, das heißt, er muss Hartz IV beantragen. Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen, die eigentlich ganz gut verdienen, wegen der Zahl ihrer Kinder in die Armut abrutschen.

Hartz IV-Empfänger haben allerdings nichts von einer Kindergelderhöhung, weil sie mit dem Arbeitslosengeld II verrechnet wird. Was schlagen Sie vor?

Hilgers: Der jetzige Regelsatz für Kinder ist mit 60 Prozent eine Ableitung des Satzes für Erwachsene. Das ist völlig respektlos gegenüber den wirklichen Bedürfnissen von Kindern. Man muss deshalb den Regelsatz für Kinder speziell an ihre Bedürfnisse anpassen. Und wenn man das tut, wird ein Betrag dabei herauskommen, der gar nicht so sehr von dem eines Erwachsenen abweichen wird.

Wie müsste aus ihrer Sicht eine sinnvolle Förderung von Familien aussehen?

Hilgers: Wir brauchen unbedingt eine Kindergrundsicherung. Das heißt, alle Leistungen müssen auf den Tisch gelegt werden, vom Unterhaltsvorschuss über Kindergeld bis Bafög und Wohngeldanteilen. Dann werden wir feststellen, dass das ganze komplizierte System eigentlich weg muss. Wir müssen zu einer Kindergrundsicherung kommen von 400 bis 450 Euro. Zur Person Heinz Hilgers: Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes (Foto: dpa) setzt sich schon seit vielen Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Er ist 60 Jahre alt und hat drei erwachsene Söhne.Extra Jeder Bürger darf das Existenzminimum für sich und seine Kinder aus unversteuertem Einkommen bestreiten. Für Arbeitnehmer und ihren Ehepartner gibt es den Grundfreibetrag von 7664 Euro. Für jeden darüber verdienten Euro ist mit steigenden Tarifen ein höherer Steuersatz fällig. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf ein steuerfreies Existenzminimum auch der Kinder wird zusätzlich durch Freibeträge oder das Kindergeld umgesetzt. Kindergeld: Es beträgt seit 2002 für die ersten drei Kinder je 154 Euro im Monat — für jedes weitere Kind zahlt der Staat 179 Euro. Eine Erhöhung um zehn Euro kostet den Staat etwa zwei Milliarden Euro. Kinderfreibetrag: Erhält jeder Steuerpflichtige mit Kindern. Er ist verfassungsrechtlich geschützt und orientiert sich am Existenzminimum eines Kindes. Er beträgt jährlich 5808 Euro. Vor allem Spitzenverdiener profitieren vom höheren Freibetrag. Kindergrundfreibetrag: Er würde den Freibetrag ersetzen und auf den Grundfreibetrag für Erwachsene aufgestockt. Damit würde zwar jedes Kind — unabhängig von der Höhe des Eltern-Einkommens — gleichgestellt. Ein Teil der Familien mit höheren Einkünften würde dann aber schlechter gestellt.

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