"Entschleunigung": Neue Lust am langsamen Leben

TRIER. (wie) Die Wiederentdeckung der Langsamkeit: Unter der Woche zwölf Stunden im Job, am Wochenende eine Verabredung nach der anderen und dazwischen Sport - das war einmal. Vor allem die 30- bis 45-Jährigen besinnen sich auf Entschleunigung, sie wollen auch mal faul sein.

30-Jährige wandern in den Alpen, spazieren sonntags durch den Wald; 35-Jährige machen Dampfer-Fahrten auf Mosel und Rhein, ganz so wie ihre Eltern früher. Andere ackern und entspannen im eigenen Schrebergarten. Selbst Samstagsabends faul auf der Couch zu liegen und "Wetten dass ?!" anzuschauen, ist angesagt bei der so genannten "Generation Golf", den 30- bis 45-Jährigen. Entschleunigung heißt der Trend, die neue Lust an der Langsamkeit. Vor allem diejenigen, die von früh morgens bis spät nachts in ihren Büros saßen, die so genannten Workaholics, wollen mehr Zeit für sich. "Eine Flucht aus der Mobilitäts-Gesellschaft" nennt das Birgit Gebhardt vom Hamburger Trendbüro. Sie beobachtet schon seit längerem dieses Phänomen: "Die Sehnsucht nach Ruhe wächst immer mehr." Und die Ruhe finden die Gehetzten, wenn sie abends gemütlich mit Freunden im Biergarten sitzen, statt im Fitness-Studio zu schwitzen - oder beim Urlaub zu Hause statt durchtanzten Nächten auf Ibiza. Tempo und ständige Erreichbarkeit sind nicht mehr das Nonplusultra. Zumal sie auch Opfer fordern: 71 000 Menschen starben 2001 in Deutschland an Herzinfarkt. Die mobile Generation flüchtet in die eigenen vier Wände. "Das Heim ist das Zentrum der Welt, es dient als Schutzhafen", sagt Dirk-Uwe Klaas, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie. Ein schönes Zuhause als bewusster Gegenpol zur ständigen Mobilität. Bei Mode und Möbeln sind derzeit die Stile der 70er-Jahre angesagt. Im Fernsehen feiern 70er- und 80er-Shows Erfolge - der Retro-Trend blüht. Die Grundbedürfnisse seien gestillt, jetzt gehe es um die Erhöhung der (Lebens-)Qualität, heißt es in einer Studie des Zukunftsinstituts in Kelkheim. Ein Trend, den auch Bernd Neisen von der Trierer Werbeagentur Dietz und Partner entdeckt hat: "Viele Verbraucher legen wieder mehr Wert auf Qualität, vor allem bei Lebensmitteln." Die Sehnsucht nach mehr Zeit und Qualität spiegelt sich auch im Werbespruch, den die Agentur für Eifeler Schinken kreiert hat: "Wissen Sie noch, wie gut Zeit schmeckt?" KOMMENTAR SEITE 2 THEMEN DER ZEIT SEITE 3

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort