Hetzjagd per Internet

Trier · Das soziale Netzwerk Facebook entwickelt sich immer mehr zum Tummelplatz von privaten Fahndern, die Fotos von vermeintlichen Einbrechern, Dieben, Tierquälern oder Vergewaltigern veröffentlichen. Dass die Nutzer sich damit auf rechtlich dünnem Eis bewegen, wissen die wenigsten.

Trier. "Achtung, Achtung, Achtung. Bulgarische & rumänische Organmafia jetzt auch in Deutschland auf der Jagd nach Kindern und Jugendlichen", heißt es in einer derzeit via Facebook verbreiteten Warnung. Daneben ist das unscharfe Foto von zwei Männern in einem Auto zu sehen. "Leute, passt auf eure Kinder auf", hat ein Facebook-Nutzer, der die Warnung in dem sozialen Netzwerk verbreitet hat, dazugeschrieben. Über 1500-mal wurde die Nachricht seit vergangener Woche gepostet. Und das, obwohl höchst zweifelhaft ist, dass überhaupt etwas dran ist an dieser Geschichte. Jedenfalls könnten sich alle Facebook-Nutzer, die das Foto mit der Warnung weiterverbreitet haben, strafbar machen. Falls sich nämlich die darauf abgebildeten Männer erkennen und Anzeige wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und Verleumdung erstatten. Der Trierer Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht warnt daher ausdrücklich vor einer solchen Art der Selbstjustiz, die derzeit bei Facebook allerdings weit verbreitet ist: "Es ist nicht zulässig, private Fahndungsaufrufe zu veröffentlichen,"
Mit der unbefugten Veröffentlichung eines Überwachungsvideos, das einen Mann zeigt, der vom Gelände der Trierer Bundespolizei ein Fahrrad entwendet, hat es laut Albrecht dieser Tage erstmals einen solchen Fall auch in der Region gegeben. 158-mal ist der private Fahndungsaufruf einer Frau via Facebook geteilt worden. Vermutlich hat die Frau gar nicht gewusst, dass sie das Video, auf dem der Mann gut zu erkennen ist, gar nicht verbreiten darf. Trotzdem könnte ihr und allen, die ihren Facebook-Eintrag geteilt haben, Ärger drohen. Dann nämlich, wenn der vermeintliche Fahrraddieb Anzeige erstattet.
Laut Albrecht - zuständig für Internetkriminalität - ist es nur den Ermittlungsbehörden erlaubt, Fahndungsfotos im Internet zu veröffentlichen, und auch nur dann, wenn ein Richter diese Veröffentlichung erlaubt hat. Die Polizei, auch in Rheinland-Pfalz, fahndet in jüngster Zeit häufig per Facebook. Gestern zum Beispiel sind über das soziale Netzwerk Zeugen gesucht worden zu einem Supermarktüberfall in Meisenheim (Kreis Bad Kreuznach). Die Fahndungsaufrufe der Polizei sind verlinkt. Sie führen zu der offiziellen Internetseite der jeweiligen Polizeidienststelle. Und genau das sei auch der Grund, warum man diese Fahndungsaufrufe gefahrlos per Facebook weiterverbreiten dürfe, teilt der Mainzer Medienrechtler Tobias Röttger auf seiner Internetseite mit. Sobald die Fahndung beendet sei, müssten Fotos und Hinweise auf einen mutmaßlichen Täter entfernt werden, dann funktionierten die geteilten Links auch nicht mehr. Anders als bei privaten Fahndungsaufrufen, die in der Regel im Netz stehenbleiben. Röttger spricht von einer Online-Hetzjagd, "die teilweise in der Lynchjustiz endet".
Oft ist die Verbreitung solcher privater Fahndung via Internet auch mit böswilligen Kommentaren verbunden. Etwa, dass die Polizei nicht genug tue und sowieso kein Interesse an der Suche nach einem Täter habe. Oder aber die Internetnutzer fallen über den vermeintlichen Täter her, beleidigen ihn oder rufen zur Selbstjustiz gegen ihn auf. Auch das ist strafbar, wie sich im Fall der im März in Trier getöteten 16-Jährigen zeigte. Nachdem die Polizei einen Verdächtigen verhaftet hatte, wurden in Facebook Mordaufrufe gegen den Mann, einen damaligen Nachbarn der Schülerin, verbreitet. Einem Sprecher des Trierer Polizeipräsidiums zufolge wurden in diesem Zusammenhang drei Strafanzeigen gegen Facebook-Nutzer gestellt, die nun von der Staatsanwaltschaft bearbeitet werden.Extra

Wer im Internet Fotos von vermeintlichen Straftätern oder auch angeblich vermissten Kindern veröffentlicht, verstößt gegen Paragraf 22 des Urhebergesetzes. Darin heißt es: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden." Ohne Einwilligung könnte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt werden. Im Paragraf 33 des Gesetzes ist das Strafmaß für einen solchen Verstoß geregelt: "Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft", wer ein solches Bild verbreitet. Außerdem könnte eine Strafe wegen Verleumdung drohen. Im Paragraf 187 des Strafgesetzbuches heißt es: "Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." wie

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