Ins Falken-Kostüm geschlüpft

Wer die bisherigen Auftritte von US-Außenminister Colin Powell aufmerksam verfolgt hat, kennt den bedächtig-diplomatischen Stil, durch den sich der Ex-General auszeichnet. Deshalb spricht vieles dafür, dass der im Irak-Konflikt stets auf eine breite internationale Koalition setzende Politiker für seinen Rede vor dem Wirtschaftsforum in Davos in das Gewand eines "Falken" geschlüpft ist ­ und sich nun einmal mehr und gegen die persönliche Überzeugung als braver Soldat des Weißen Hauses präsentierte.

Davon zeugt nicht nur die aggressive Tonart, sondern auch der indirekte Vorwurf an Saddam Hussein, den Terrorismus zu fördern ­ ein bislang von Powell nicht benutztes, extrem schwaches Argument, das von den Befürwortern eines schnellen Krieges stets wiederholt wird, bis heute allerdings nicht mit Beweisen unterfüttert werden kann. Doch welche andere Wahl hat Powell, als dieses Spiel eskalierender Drohungen mitzuspielen und darauf zu hoffen, dass Saddam Hussein in letzter Minute doch noch einlenkt und die vollständige Offenlegung seiner Arsenale vornimmt? Powell weiß offenbar, dass er bei allzu großem Widerstand schnell durch einen Polter-Politiker vom Stile eines Donald Rumsfeld ersetzt würde. Gleichzeitig bietet diese Unterordnung jedoch auch eine Chance für die kritischen, weiter auf Diplomatie setzenden Europäer: Denn trotz seiner markigen Worte ist Powell immer noch das letzte Bollwerk im Bush-Kabinett gegen jene ungeduldigen Militaristen, die selbst gegen die jetzt offenbar anstehende Inspektions-Verlängerung Front machen. Europa sollte ihn deshalb für seine Worte nicht aburteilen, sondern Colin Powell unterstützen. nachrichten.red@volksfreund.de

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