Kanzlerin Merkel und die griechische Tragödie

Berlin · Eine Botschaft an die griechische Regierung, aber vor allem an die eigenen Reihen: Die Kanzlerin sieht im Schuldenstreit mit Griechenland nur noch Athen am Zug. Die Unionsabgeordneten im Bundestag verlieren die Geduld mit Athens Premier Alexis Tsipras.

Berlin. Auf den Koalitionsbänken regiert die Langeweile. Angela Merkel quält sich schon eine ganze Weile durch ihr Redemanuskript, das diesmal besonders üppig mit Allgemeinplätzen behaftet ist. Die Kanzlerin spricht von "enormen inneren und äußeren Herausforderungen" für die EU, von nicht näher definierten "Maßnahmen im Rahmen bestehender Verträge" und davon, dass Europa stärker aus der Krise herauskommen müsse, als es hin-eingegangen sei. Gelegentlich gibt es spärlichen Beifall von Unionsabgeordneten, der aber eher dem eigenen Wachhalten zu gelten scheint.
Dabei ist es fünf vor zwölf. Jedenfalls im übertragenen Sinne. Zwölf Tage trennen Griechenland noch von einer möglichen Staatspleite. Am 30. Juni läuft das zweite Hilfspakt für die Hellenen aus. Spätestens dann ist auch eine Rückzahlung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF), einen der großen Gläubiger, fällig. Ob Athen dieses Geld noch hat, ist zweifelhaft. Einen Zahlungsaufschub gab es bereits. 7,2 Milliarden Euro stehen Griechenland aus dem zweiten Hilfspaket eigentlich noch zu. Ohne Einigung mit den Gläubigern über weitere Reformen würde dieses Geld jedoch verfallen. Das letzte Wort in dem Drama hat womöglich ein für die kommende Woche anberaumter EU-Gipfel. Zudem gibt es bereits am Montag ein Sondertreffen (siehe Extra). Käme es am Ende zu einer Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms, müsste der Bundestag aber noch zustimmen, was wohl mit einer Sondersitzung verbunden wäre.
Das ist die explosive Ausgangslage an diesem Donnerstagvormittag im Parlament, wo Angela Merkel nach vielen verbalen Wolken doch noch zum Thema kommt: "Eine Einigung ist immer noch möglich", sagt die Regierungschefin. Die deutschen Bemühungen seien nach wie vor "darauf gerichtet, dass Griechenland im Euro bleibt". Merkel wiederholt auch ihren zuletzt oft bemühten Satz: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg". Nur ist dieser Weg eben nicht zum Nulltarif für Griechenland zu haben. Das macht die Kanzlerin ebenfalls deutlich, indem sie daran erinnert, dass andere Problemländer wie Portugal oder Spanien durch ein Tal der Tränen gegangen sind, während Athen zentrale Strukturreformen "verschleppt" habe.
An dieser Stelle ist der Applaus aus der Unionsfraktion besonders heftig. Eigentlich sollte das zweite Hilfspaket schon 2014 auslaufen. Als es dann im Februar für weitere vier Monate verlängert wurde, gab es 29 Gegenstimmen von CDU und CSU. Rund 100 Unionsabgeordnete gaben damals persönliche Erklärungen zu Protokoll, warum sie mit Ja stimmten, obwohl sie lieber nein gesagt hätten. Nur noch das eine Mal, dann ist Schluss. So war der Tenor. Und der hat sich inzwischen noch verstärkt. "Es gärt mächtig", sagt ein einflussreicher Unionsmann.
Die Grünen schütten Salz in diese Wunde. "Wir brauchen Ehrlichkeit", hält Fraktionschefin Katrin-Göring Eckardt der Kanzlerin vor. Dazu gehöre auch zu sagen, dass Athen ein drittes Hilfspaket benötige. Richtig turbulent wird es, als einige Linkabgeordnete Transparente ("Solidarität mit Griechenland") hochhalten und den IWF mit Zwischenrufen als "kriminelle Vereinigung" beschimpfen.
Angela Merkel hat sich da längst auf die Regierungsbank neben Wolfgang Schäuble gesetzt, um angeregt mit ihm zu plaudern. Dem Bundesfinanzminister wird nachgesagt, eher einen Grexit in Kauf zu nehmen, als weiter Geld gegen Auflagen nach Athen zu pumpen, weil letztere dort keinen Bestand hätten.
Merkel denkt darüber etwas anders. So wird ihre demonstrative Geste zur politischen Gratwanderung. Aber Hauptsache, die Fotografen und Kameraleute fangen harmonische Bilder mit den beiden ein.Extra

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euroländer zu Griechenland für Montag kommender Woche einberufen. Die Zusammenkunft solle am Abend stattfinden, teilte der EU-Ministerrat am Donnerstag nach einer ergebnislosen Eurogruppensitzung mit. "Es ist Zeit, dringend über die Lage in Griechenland auf höchster politischer Ebene zu sprechen", schrieb Tusk. Schon bei der Eurogruppensitzung in Luxemburg hatte der irische Finanzminister Michael Noonan gesagt, dass die "Chefs" in der kommenden Woche in der Griechenland-Krise beraten würden. Das Krisentreffen wird nur wenige Tage vor dem regulären EU-Gipfel stattfinden, der für Donnerstag und Freitag geplant ist. Bei diesem Gipfel werden die "Chefs" aller 28 EU-Staaten zusammenkommen. dpa

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