Kanzlerin trennt sich schweren Herzens von Schavan

Berlin · Am Ende bleibt nur der Rücktritt: Auch wenn Annette Schavan die Aberkennung ihres Doktortitels juristisch anfechten will - Bundesbildungsministerin kann sie nicht weiter sein. Sie und ihre Chefin Angela Merkel haben diese Entscheidung ohne Zögern getroffen.

Berlin. Die Kanzlerin kommt gleich auf den Punkt: "Annette Schavan hat mir gestern ihren Rücktritt vom Amt der Bundesministerin für Bildung und Forschung angeboten. Ich habe diesen Rücktritt sehr schweren Herzens angenommen." In diesem Moment huscht sogar ein leichtes Lächeln über Schavans Gesicht. So als wollte sie unausgesprochen sagen, jetzt ist es heraus - und vorbei. Doch was Merkel da eben vom Blatt abgelesen hat, ist ihr tatsächlich nur sehr schwer über die Lippengekommen. Auch die anwesenden Journalisten im Kanzleramt spüren an diesem Samstagmittag, dass da nicht von irgendeiner geschäftsmäßigen Beziehung im Kabinett die Rede ist, mit deren Ende sich Merkel schon mehrfach konfrontiert gesehen hat.
Sieben Jahre lang hat Schavan der Kanzlerin als Bundesbildungsministerin gedient. Die eine Katholikin, die andere Protestantin, beide kinderlos und der Wissenschaft zugetan. Schavan war immer loyal und der Kanzlerin eine Stütze. Daraus erwuchs auch eine persönliche Beziehung der besonderen Art. In ihrer Erwiderung auf Merkel nutzte Schavan dafür eine Formulierung, die in der Politik sehr selten geworden ist: "Freundschaft", sagte sie, "hängt nicht an Amtszeiten und wirkt über diesen Tag hinaus." Und sie duzte die Kanzlerin öffentlich: "Ich danke dir, liebe Angela." Begonnen hatte der Tag mit einigem Rätselraten.
Dass Schavans Rücktritt unausweichlich sein würde, nachdem ihr die Universität in Düsseldorf wegen Plagiierung den Doktortitel aberkannt hatte, war eigentlich jedermann klar. Aber nicht der Zeitpunkt und die Umstände seiner Verkündung. Zum Schluss ging alles sehr schnell. Am Samstag um 12.41 Uhr verschickte das Bundespresseamt eine Mail an die Hauptstadt-Medien mit dem nüchternen Hinweis, dass Merkel und Schavan um 14 Uhr "Statements" im Kanzleramt abgeben würden. Da war die Sache hinter den Kulissen längst gelaufen. Obwohl beide Politikerinnen am Freitagabend gerade erst von anstrengenden Terminen zurückgekehrt waren - Merkel vom EU-Gipfel in Brüssel, Schavan von einer Dienstreise nach Südafrika -, besprach man sich noch am selben Tag unter vier Augen über das weitere Vorgehen. Allerdings musste Merkel offenbar noch die Nachfolgefrage regeln. Als diese mit Johanna Wanka beantwortet war, konnte man vor die Presse treten. Die 61-jährige Sächsin zählte von Anfang an zum Favoritenkreis für den Posten, weil sie bereits in Brandenburg und Niedersachsen eine erfolgreiche Bildungsministerin war und wegen der verlorenen Wahl in Hannover frei für eine neue Verwendung ist.
Dass Schavan der Kanzlerin bei dem internen Gespäch ohne Umschweife den Rückzug antrug, erleichterte Merkel die Sache. Die Regierungschefin kommentierte diese Geste hinterher mit den Worten, Schavan habe ihre "persönliches Wohl" hinter das "Gemeinwohl" gestellt.
Sollte heißen: Eine längere Hängepartie hätte auch Merkel arge Probleme bereiten können. Bei Schavan selbst klang das so: "Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU." Und genau das wolle sie "vermeiden". Schavan: "zuerst das Land, dann die Partei und dann ich selbst."
Für diese Haltung zollte ihr auch die Opposition Respekt und Anerkennung. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete Schavan einmal mehr als "hoch anständige und kompetente Kollegin, um die es mir außerordentlich leidtut". Partei-Generalsekretärin Andrea Nahles meinte, mit Schavan verliere die Kanzlerin "eine anerkannte Ministerin und Vertraute". Andere Politiker der SPD sowie der Grünen wiesen allerdings auch genüsslich darauf hin, dass der Start ins Wahljahr für Merkel nicht hätte schlechter ausfallen können. Aus der Union war naturgemäß nur Lob für Schavan zu hören. Aus der katholischen Kirche wurde derweil Kritik an Merkels Personalpolitik laut: Früher sei in der CDU bei der Besetzung von Ämtern auf Ausgewogenheit zwischen Protestanten und Katholiken geachtet worden. "Das ist vorbei. Leider." Unter den CDU-Kabinettsmitgliedern ist Umweltminister Peter Altmaier jetzt der einzige Katholik. Wanka ist Protestantin.
Bis Donnerstag ist Schavan übrigens noch formal im Amt. Erst dann bekommt ihre Nachfolgerin von Bundespräsident Joachim Gauck die Ernennungsurkunde als neue Ministerin in Merkels Kabinett überreicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort