Richtiges Produkt, richtige Zeit, richtiger Ort

Noch vier Tage, dann werden sie der Vergangenheit angehören: die Schlangen vor den Trierer Museen, die "Imperatörchen"-T-Shirts in der Stadt, die Trauben von Touristen, die irgendwo in der Fußgängerzone über ihre frischen Eindrücke diskutieren. Konstantin geht, aber er hinterlässt tiefe Spuren.

 Eine Angelegenheit für Neugierige: Konstantin hat den Wissensdurst bei Besuchern aller Altersgruppen gelöscht. TV-Foto: Friedemann Vetter

Eine Angelegenheit für Neugierige: Konstantin hat den Wissensdurst bei Besuchern aller Altersgruppen gelöscht. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Wenn am Sonntagabend die letzten Besucher gegangen sind, dann fängt für die unermüdlichen Organisatoren, Mitarbeiter und Helfer die Arbeit noch mal so richtig an. Tausende von Exponaten müssen sorgfältig abgebaut und an ihren eigentlichen Heimat-Standort zurückgebracht werden. Ganze zwei Wochen hat Ausstellungs-Chef Eckart Köhne dafür Zeit. Dann weiß er auch, ob wirklich alles endgültig gutgegangen ist. Sensationelle Empfehlungs-Rate

"Aber es sieht gut aus", sagt der 40-Jährige. Die Ausstellung habe sich trotz des Riesen-Andrangs "optisch gut gehalten". Keine Graffitis, keine eingeritzten Herzchen, keine mutwilligen Beschädigungen. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, dürften die wertvollen Leihgaben bis Mitte November unversehrt in ihren Ursprungs-Museen sein.Das wäre das Tüpfelchen auf dem "i" bei einem außergewöhnlich erfolgreichen Projekt. Wie sehr die Ausstellung eingeschlagen hat, zeigen dabei nicht nur die nackten Besucherzahlen. 98 Prozent der Gäste, so hat eine wissenschaftliche Begleituntersuchung ergeben, haben Konstantin weiterempfohlen - eine sensationelle Rate. "Zuletzt kamen immer mehr Besucher aufgrund von Mundpropaganda", berichtet Professor Andreas Kagermeier, der die Studie im Auftrag der Initiative Region Trier betreut. Das sei ein "gewichtiges Qualitätsmerkmal". Als entscheidend für den Erfolg sieht er an, dass Trier und seine römische Geschichte mit dem Thema Konstantin optimal zusammenpassen. Auch Eckart Köhne misst dem klaren Profil eine große Bedeutung bei: "Wir hatten ein gutes Produkt und die richtige Themensetzung am richtigen Ort." Sein Aufsichtsrats-Chef, Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig, denkt schon über das Projekt hinaus: Man habe einen "Nährboden gesetzt" für die kulturelle und touristische Weiterentwicklung in Trier. Den Machern ist zudem der seltene Spagat gelungen, eine populäre Ausstellung für ein breites, nichtwissenschaftliches Publikum zu konzipieren und gleichzeitig die Experten und die Fachpresse zu überzeugen. Ausgeklügelte Architektur

 Die Konstantin-Ausstellung fasziniert auch das jugendliche Publikum. Foto: Thomas Zühmer

Die Konstantin-Ausstellung fasziniert auch das jugendliche Publikum. Foto: Thomas Zühmer

Eckart Köhne führt das auf die ausgeklügelte Ausstellungs-Architektur zurück, "für die wir uns sehr viel Zeit genommen haben". Vielfältig gelobt wird aber nicht nur die Schau selbst, sondern auch das Drumherum. "Das Buchungs-System der Tourist-Info hat uns enorm geholfen", verteilt Köhne Komplimente. Bestnoten auch für die speziell geschulten Gästeführer, die mehr als 7000 Gruppen durch die Museen begleiteten. Pluspunkte von allen Seiten für die engagierte Öffentlichkeitsarbeit."Unsere Erwartungen wurden bei weitem übertroffen", sagt Bärbel Schulte vom Stadtmuseum Simeonstift. Erfreuliche Nebenwirkung: "Ganz viele Leute haben gleich in einem unsere neue stadtgeschichtliche Ausstellung besucht." Hochstimmung auch bei Professor Winfried Weber, Hausherr im Dom- und Diözesanmuseum: "Wir hatten mit 180 000 Besuchern in den fünf Monaten das achtfache unseres normalen Jahresschnitts." Toll sei aber nicht nur das massenhafte Aufkommen gewesen, sondern die Begeisterung der Besucher für die gesamte Stadt: "Viele wussten gar nicht, dass Trier so viel Besonderes bietet". Kein Wunder, dass Weber dem Vorschlag von Stadtmuseums-Chefin Elisabeth Dühr für eine künftige gemeinsame Vermarktung der Trierer Museen positiv gegenübersteht - zumindest dann, "wenn auch alle mitmachen". Das indirekte Fragezeichen gilt dem Landesmuseum, dessen kommissarische Leiterin Karin Goethert, die den Laden in schwierigen Zeiten engagiert zusammengehalten hat, demnächst in Ruhestand geht. Wenn hier keine Lücke entstehen soll, muss das Land als Träger zügig für eine Lösung sorgen. Die Kapazitäten in Triers Museumslandschaft sind mit Konstantin enorm gestiegen. Nimmt man Antikenfestspiele, Brot und Spiele, Mosel Festwochen, Erlebnisführungen und Pop-Konzerte hinzu, dann hat die Stadt ein mächtiges Pfund, mit dem man wuchern kann. Allerdings fehlt es nach wie vor an einer effektiven Vermarktung. Die wiederum kostet Geld. Professor Winfried Weber rät dringend, "auch mal bei Handel und Gastronomie nachzufragen, ob die in diesem Sektor nicht mitinvestieren wollen". Bei Karin Kaltenkirchen von der Trierer City-Initiative dürfte er da offene Türen einrennen. "Querbeet und branchenunabhängig" habe das Konstantin-Publikum die Geschäfte der Innenstadt belebt, so ihr Fazit. "Für nächstes Jahr", so die Geschäftsfrau, "müssen wir uns alle dringend was einfallen lassen." Konstantin kurios Fünf Monate Ausstellungsbetrieb - da ergeben sich auch mancherlei Kuriosa im Alltagsgeschäft der Museen. Wir haben ein paar Anekdoten gesammelt. Verlorener Sohn Mitten im Getümmel des Landesmuseums fand sich ein kleiner Junge ein, der seine Eltern verloren hatte. Man wollte sie ausrufen, aber der Junior weigerte sich standhaft, seinen Namen zu nennen. Erst als die Eltern nach einer halben Stunde atemlos auftauchten, klärte sich das Phänomen: Der Junge hieß Konstantin und hatte offenbar befürchtet, man würde ihn für einen Scherzkeks halten. So blieb den Ausstellungs-Besuchern die Lautsprecher-Durchsage "Der kleine Konstantin sucht seinen Vater" vorenthalten. Gebügeltes Ticket Untröstlich war eine ältere Dame, die eine Eintrittskarte erworben hatte, um sie zu verschenken. Leider wurde das gute Stück versehentlich zerknittert, und um dem Präsent wieder die angemessene Form zu verleihen, zog die Dame ein Bügeleisen zurate. Dabei übersah sie, dass die Karten auf fälschungssicheres Thermopapier gedruckt waren, das sich beim Kontakt mit dem heißen Metall in eine schwarze Masse verwandelte. Sie bekam ein neues, knitterfreies Ticket. Geküsste Reliquien Erfahrene Aussteller hatten dem Stadtmuseum geraten, die konstantinischen Reliquien und Ikonen in sichere Glaskästen zu packen. Besonders bei orthodoxen Gläubigen sei es bisweilen Brauch, die sterblichen Überreste - selbst bei Zweifeln an ihrer Echtheit - durch Küsse zu ehren. Die Ausstellungsmacherinnen grinsten sich eins - bis sie auf dem Schrein mit der angeblichen konstantinischen Arm-Reliquie diverse Abdrücke entdeckten, die sich bei näherem Hinsehen als Lippenstift entpuppten. Spendabler Priester Begeisterte Besucher hat das Dom-Museum in den letzten Monaten öfter gesehen, aber einer war von der Ausstellung besonders angetan: Einem Pfarrer aus Leverkusen gefiel das bischöfliche Museum so gut, dass er spontan mehrere Exponate aus der eigenen, privaten Kunstsammlung mitbrachte und dem Museum schenkte. (DiL) Konstantin-Finale Am letzten Konstantin-Wochenende dürfte noch einmal mit mächtigem Besucher-Andrang zu rechnen sein. Zuletzt kamen an den Wochenenden täglich bis zu 5000 Besucher, was die Kapazitäten der Museen bis an den Rand der Belastbarkeit strapazierte. Zum Ausstellungs-Finale ist das interessierte Publikum aber auch zu einer Bilanz ins Rheinische Landesmuseum eingeladen. Von 10.30 bis 14 Uhr resümieren am Sonntag, 4. November, Macher und Begleiter der Mammut-Schau die fünf Konstantin-Monate. In drei Podiums-Runden stehen unter anderem die wissenschaftlichen Leiter und die Direktoren der drei beteiligten Museen Rede und Antwort. Die Veranstaltung wird von der Gruppe "Horn and Strings" umrahmt. Der Eintritt ist frei. Um organisatorisches Chaos zu vermeiden, erfolgt der Zugang zur Veranstaltung über den Verwaltungseingang des Museums. (DiL) Konstantin im Spiegel Mehr als 15 000 Medien-Veröffentlichungen dokumentiert eine Statistik von Konstantin-Pressechefin Mirjam Flender. Sie füllen einen Schrank mit zwei Dutzend großen Aktenordnern. Der Schwerpunkt lag dabei rund um die Eröffnung im Juni, aber der Boom hält bis heute an. Vor allem ausländische Zeitungen, Rundfunk- und Fernsesehsender sind in den letzten Monaten noch vielfältig zugestiegen. Vom Vatikan bis nach Amerika reicht die Resonanz. Für die meisten überregionalen Leser-Kontakte sorgte das auflagenstarke ADAC-Motorwelt-Magazin, gefolgt von der Zeit, der Süddeutschen, der FAZ und dem Spiegel. Einig waren sich die Beobachter in der positiven Bewertung der "gigantischen und überwältigenden Schau" (BILD) mit ihrer "überwältigenden Fülle von Schätzen" (Süddeutsche), an denen man sich "nicht sattsehen kann" (Der Tagesspiegel). Die "Welt" sah Trier sogar als "eigentliche Kulturhauptstadt Europas". (DiL)

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