Von allen Seiten wird gezerrt

Die neuesten Umfragewerte sind so schlecht wie nie in Angela Merkels Regierungszeit. Wenn jetzt Bundestagswahl wäre, würden laut ARD-Deutschlandtrend nur noch 32 Prozent der Wähler ihr Kreuzchen bei der Union machen. Kein Wunder, dass die Partei-Chefin unter Beschuss gerät.

Berlin. Die Kritik am Kurs und am Profil der Partei ist zwar nicht neu, aber sie wird immer lauter vorgetragen: Inzwischen wagen sich auch führende Unionspolitiker gegen Merkel aus der Deckung. Von allen Seiten wird an der CDU-Vorsitzenden gezerrt.

Die Konservativen. "Angela Merkel ist ein Glücksfall für die CDU und für Deutschland", schrieb jetzt ihre enge Vertraute und Bildungsministerin Annette Schavan in einem Presse-Beitrag. Sie habe die Union modernisiert. Genau das ist jedoch das Problem für viele konservative Stammwähler, sie sehen keine Unterschiede mehr zwischen Union und SPD; sie wissen nicht mehr, wofür die CDU Merkels steht. Mit Ursula von der Leyen als Familienministerin wurde ein zentraler Unions-Pfeiler zum Einsturz gebracht: das traditionelle Familienbild. Außerdem gibt es in der Partei niemanden mehr, der erkennbar für konservative Werte und Tugenden steht, auch Roland Koch ist inzwischen eher umstritten. Viele sind zudem sauer, dass Merkel die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach im Streit um ihre Rolle beim "Zentrum gegen Vertreibung" nicht gestützt hat.

Die Katholiken. Jeder zweite wählte 2005 die Union. Der Ärger darüber, dass die protestantische Kanzlerin den Papst öffentlich wegen des Holocaust-Leugners Williamson kritisiert hat, ist groß. Vor allem in Bayern. "Das bleibt im Gedächtnis und wird uns bei der Wahl zwei bis drei Prozent kosten", glaubt ein führender Christsozialer.

Der Wirtschaftsflügel. Seit Merkel Friedrich Merz geschasst hat, sucht der Flügel nach einer neuen Galionsfigur. Die vielen Kompromisse mit der SPD, der Umstand, dass in der Krise "Verstaatlichung" und "Enteignung" für die Union nicht mehr tabu sind, treibt viele auf die Palme. Sie fordern schon lange einen marktwirtschaftlicheren Kurs. Einst war die Wirtschaftspolitik Kernkompetenz der Union, "nur weiß das keiner mehr", sagt ein frustrierter Mittelstandspolitiker. Mit großer Sorge beobachtet man daher die Abwanderung der Wähler zur FDP und die Ratlosigkeit der Unions-Spitze.

Die Ministerpräsidenten. Wahlkämpfer wie der Saarländer Peter Müller oder der Selbstdarsteller Horst Seehofer (CSU) setzen im Superwahljahr zunehmend auf Abgrenzung von der Kanzlerin. Beim Thema Managergehälter vertreten sie sogar SPD-Positionen. Auch der einst von Merkel wegen einer verunglückten Trauerrede öffentlich zurechtgewiesene Baden-Württemberger Günther Oettinger meldet sich kritisch zu Wort und fordert klare, ordnungspolitische Linien. Freunde hat Merkel unter den Ministerpräsidenten nicht. Es rächt sich, dass sie nie im elitären Kreise der Landesfürsten verwurzelt war; sie hat selbst nie ein Land regiert, auch verfügt sie in der Union über keine Hausmacht.

Die SPD. Der Koalitionspartner wittert Morgenluft. Jetzt treibt er die Union vor sich her: Managergehälter, Mindestlohn, Abwrackprämie, Finanzmarktregeln, Opel-Hilfe, die SPD setzt die Themen, die Union muss reagieren. Laut ARD hat zudem in der Beliebtheitsskala SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier Angela Merkel abgelöst. Die Union sei "hoch nervös", freut sich bereits SPD-Fraktionschef Peter Struck. Er weiß: "Da wird noch einiges auf die CDU-Chefin zukommen." Das sieht man in Merkels Partei allerdings genauso.

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