Wulff ist zurück auf der Tagesordnung

Berlin · Nur kurz währte die relative Ruhe rund um die Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten. Die Ermittlungen gegen seinen ehemaligen Sprecher rücken auch das Staatsoberhaupt erneut ins öffentliche Interesse.

Berlin. Vorgestern Morgen machte sich im Lager der schwarz-gelben Koalition so etwas wie Entspannung breit: Endlich kehre an der Wulff-Front Ruhe ein, hieß es. Die Debatte um den Bundespräsidenten bewege sich lediglich noch auf "peinlichem Bobby-Car-Niveau", dem Geschenk eines Autohändlers an den kleinen Sohn des Präsidenten. Außerdem zeigten sich Koalitionäre froh darüber, dass Wulff wie versprochen rund 250 Seiten mit Presseanfragen samt Antworten hatte veröffentlichen lassen. Seit Donnerstagnachmittag ist es jedoch wieder vorbei mit der neuen Glückseligkeit.
Da lief die erste Eilmeldung über den Ticker, dass es bei Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker eine Razzia der Staatsanwaltschaft gebe. Der Vorwurf der Ermittler: Bestechlichkeit. Seitdem ist die Causa Wulff auch in der Koalition wieder auf der Tagesordnung. Die Frage, die sich in Berlin jetzt viele stellen, lautet: Wie gefährlich kann die Angelegenheit noch für Wulff werden? Schließlich waren der Präsident und sein Getreuer fast schon unzertrennlich. Der umgängliche Glaeseker plante und forcierte Wulffs Karriere bis ins Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Nach dem Einzug ins Schloss Bellevue avancierte er als Wulffs Sprecher für viele Beobachter zum "stellvertretenden Bundespräsidenten". Auf dem Höhepunkt der Hauskreditaffäre schmiss der ehemalige Journalist dann aber kurz vor Weihnachen ohne Nennung von Gründen die Brocken hin. Dafür kursieren in Berlin bis heute zwei Erklärungen: Die eine besagt, dass es ein Zerwürfnis des Präsidenten mit seinem Sprecher gegeben habe. Die andere ist, dass auch Glaeseker Gegenstand von Medienrecherchen geworden sei. Schon damals gab es Gerüchte um mögliche Gratisurlaube. Aus dem Bundespräsidialamt verlautete am Freitag, dass man Glaeseker keine arbeitsrechtlichen Vorwürfe mache. Eine Entlassung sei aber jederzeit auch ohne Angabe von Gründen zulässig, "wenn die für diese Positionen erforderliche Übereinstimmung nicht mehr vorhanden ist".
In Berliner Koalitionskreisen herrschte gestern noch Ratlosigkeit angesichts der neuen Entwicklungen. Viel hänge jetzt von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Wulffs Intimus ab. "Jetzt steht das Thema aber wieder auf Seite eins", meinte einer frustriert. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nahm als Einziger aus der vordersten Reihe der Koalition öffentlich Stellung. "Es geht um Vorwürfe, die sich an einen Mitarbeiter richten, und erst wenn man die erhärtet hat, dann muss man sehen, ob man Vorwürfe an den Bundespräsidenten richten kann, ob er das wissen konnte, wissen musste."
Bedeckt hielt sich die Opposition: Den Vorgang wolle man vorerst nicht kommentieren. Aber so viel doch: "Vielleicht ist die Angelegenheit noch nicht zu Ende." Das wiederum dürfte sicher sein.

Extra

Die Linksfraktion im niedersächsischen Landtag hat an die SPD appelliert, den Weg für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Kreditaffäre um Bundespräsident Christian Wulff freizumachen. Fraktionschef Hans-Henning Adler forderte am Freitag im Landesparlament in Hannover: "Wir wollen Aufklärung über die Verfilzung wirtschaftlicher und politischer Interessen." Die Sozialdemokraten müssten der Einrichtung des Ausschusses zustimmen, die Stimmen von Linken und Grünen allein reichen nicht aus. dpa

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