Zuviel Champus an Deck

Berlin. Stundenlang diskutierte gestern der Vorstand der Deutschen Bundesbank über die Vorwürfe gegen ihren Präsidenten Ernst Welteke. Ergebnis: Es gibt keine Abberufung. Aber Welteke lässt sein Amt auf Wunsch des Vorstandes ruhen.

Sowas hat es lange nicht mehr gegeben: Unmissverständlich und ohne Umschweife forderte die Bundesregierung den Vorstand der Deutschen Bundesbank auf, ihrem Präsidenten Ernst Welteke den Rücktritt zu empfehlen. "Wir sind uns sicher", sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch Mittag in Berlin, "dass sich der Vorstand seiner besonderen Verantwortung bewusst wird". Doch die sieben Herren taten sich außerordentlich schwer mit ihrer Entscheidung: Acht Stunden tagten sie. Dann, gegen 20 Uhr, die lange erwartete Erklärung. Für die Abberufung des Bundesbankpräsidenten sehe der Vorstand "keinen hinreichenden Grund". Der Präsident einer nationalen Zentralbank könne nur entlassen werden, wenn er eine schwere Verfehlung begangen habe. Als solche sehen die Vorständler Weltekes umstrittenen Auftritt in Berlin offenbar nicht. Der Präsident hatte es sich auf Einladung der Dresdner Bank dort vier Tage lang im Luxushotel "Adlon" gut gehen lassen. Dass die Vorständler ihrem Präsidenten nicht in den Rücken fielen, hatte wohl mehrere Gründe: Einmal ist die Deutsche Bundesbank absolut souverän in ihren Entscheidungen, auch gegenüber der Bundesregierung. Zum zweiten betraten die Banker Neuland, wurde doch noch nie ein Bundesbank-Präsident mit solchen Vorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Drittens - der heikelste Punkt - fühlten sich einige der Vorstandsmitglieder womöglich befangen. Verheerendes Presse-Echo nach der Sause

Denn Einladungen wie im Fall Welteke seien "gängige Praxis", zitierte die "Berliner Zeitung" einen Banksprecher. Auch in Regierungskreisen wurde am Mittwoch die Vermutung geäußert, die Bundesbanker hätten sich deshalb so schwer getan, den Stab über ihren Präsidenten zu brechen, weil sie womöglich selbst ähnliche Einladungen angenommen hätten. Wie hoffnungslos die Lage dennoch für Welteke ist, hatte sich schon am Dienstag angedeutet, als der Präsident nach dem verheerenden Presse-Echo auf seine "Sause" erste Wirkung zeigte und in der ARD davon sprach, er müsse sich fragen, ob er "das meiner Familie, mir persönlich, dem Amt und der Institution zumuten kann". Zu diesem Zeitpunkt hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft schon Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme aufgenommen. Das wiederum brachte die Bundesbank-Vorständler wenigstens dazu, Welteke dazu aufzufordern, seine Amtsgeschäfte ruhen zu lassen. Einer Bitte, der er umgehend nachkam. Dass dieser Schritt reicht, scheint zweifelhaft. Regierungssprecher Steg kommentierte die Äußerungen Weltekes vom Mittwoch bereits am Nachmittag mit den Worten, sie seien "verständlich und berechtigt". Auf deutsch: Die Bundesregierung wünscht den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Zuvor waren bereits erste Namen für die Nachfolge des Chefs der Deutschen Bundesbank gehandelt worden. Insbesondere der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Weser-Koch, und die ehemalige FDP- und SPD-Bundestagsabgeordnete Ingrid Matthäus-Maier, heute Vorstandsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), galten als aussichtsreiche Kandidaten. Bundesbank-Vizepräsident Jürgen Stark wurden weniger Chancen eingeräumt, da er als Ex-Staatssekretär bei Finanzminister Theo Waigel (CSU) die "falsche Farbe" und sich außerdem als Kritiker der Regierungspolitik profiliert habe. Die Stimmung im Lande über den Fall Welteke brachte übrigens der SPD-Sozialexperte und Agenda-Kritiker Ottmar Schreiner auf eine griffige Formel. Es könne nicht sein, sagte er gegenüber Journalisten, dass "unten im Maschinenraum immer härter gearbeitet wird und oben auf dem Sonnendeck der Champagner immer reichlicher fließt".

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