Entscheidung mit Bauchschmerzen

Prüm · Nach einer intensiven Diskussion hat der Prümer Verbandsgemeinderat die Kriterien beschlossen, nach denen im neuen Flächennutzungsplan die Gebiete für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Diese bieten Platz für bis zu 74 neue Rotoren. Die Entscheidung bereitete einigen Ratsmitgliedern heftige Bauchschmerzen.

 In der Verbandsgemeinde Prüm könnten sich in Zukunft mehr Windräder drehen. TV-Foto: Archiv/Stefanie Glandien

In der Verbandsgemeinde Prüm könnten sich in Zukunft mehr Windräder drehen. TV-Foto: Archiv/Stefanie Glandien

Prüm. Am Ende steht eine breite Mehrheit: Mit den Stimmen von CDU, Grünen und nahezu der kompletten SPD hat der Prümer Verbandsgemeinderat die Kriterien beschlossen, die festlegen, wo im Prümer Land künftig neue Rotoren gebaut werden dürfen. Die Flächen müssen eine Mindestgröße von 50 Hektar haben, und in einer Höhe von 140 Metern muss eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 6,4 Metern pro Sekunde herrschen. Damit könnten zu den bisher in der VG Prüm stehenden 110 Rotoren bis zu 74 neue hinzukommen.

Eine Entscheidung, die vielen Ratsmitgliedern nicht leichtgefallen ist, auch wenn Bürgermeister Aloysius Söhngen noch einmal ausdrücklich die Notwendigkeit betont. "Wenn wir den Flächennutzungsplan nicht fortschreiben, stehen wir irgendwann nackt da", sagt Söhngen. Denn ohne eine solche Regelung könnten künftig nach dem Baugesetzbuch Windräder überall im Außenbereich errichtet werden. Die Folge wäre ein Wildwuchs, wie man ihn durch den neuen Flächennutzungsplan verhindern wolle. Gleichzeitig sei man verpflichtet, neue Gebiete für Windräder zu erlauben: "Eine Verhinderungsplanung ist nicht zulässig", sagt Söhngen. Dabei müsse man aber sowohl dem Naturschutz als auch der Regionalentwicklung Rechnung tragen, außerdem wolle man eine "Verspargelung" der Landschaft vermeiden.

Die Vorbehalte einiger Ratsmitglieder kann Söhngen damit aber nicht ausräumen. "Wir haben große Probleme, dieser Sache zuzustimmen", sagt Klaus Enders, Sprecher der FWG-Fraktion. Man sei nicht prinzipiell gegen die Windkraft, aber mit der aktuellen Planung schütze man den Schwarzstorch auf drei Kilometer und den Rotmilan auf 1500 Meter, rücke aber den Bürgern bis auf 500 Meter auf die Pelle. "Das machen wir nicht mit", sagt Enders.
Denn anders als die Tiere könnten sich die Menschen nicht einfach einen anderen Ort suchen. Gleichzeitig blieben wegen Storch und Milan hervorragende Flächen wie die ehemalige Radarstation auf dem Schwarzen Mann ausgespart. "Das versteht doch kein Mensch." Erdal Dogan (SPD) kritisiert das Vorhaben ebenfalls. "Das alles heißt, dass noch mehr Windräder in die Landschaft kommen. Dem kann ich aber nicht zustimmen. Genug ist genug." Unterstützt wird er von Oliver Grunow (FDP), der sich um den Tourismus in der VG sorgt: "Der Schneifelrücken ist unser Aushängeschild." Den solle man nicht wegen der Energiewende verspargeln.

"Es ist für viele eine schwere Entscheidung", sagt die CDU-Fraktionssprecherin Mathilde Weinandy. "Denn die Landschaft wird dadurch sicherlich nicht verbessert. Aber es gibt ja auch die Forderung, aus der Atomenergie auszusteigen." Deshalb müsse man auch akzeptieren, dass mehr Windräder gebraucht würden.
VG-Chef Söhngen weist darauf hin, dass für bestimmte Bereiche wie den Schwarzen Mann überdies eine Landschaftsbildanalyse erstellt werden soll. Die könne zur Folge haben, dass dort weniger Rotoren aufgestellt werden dürfen. Mit den Stimmen von 22 Ratsmitgliedern aus CDU, Grünen und SPD bei sieben Enthaltungen (FWG) und zwei Gegenstimmen von Erdal Dogan (SPD) und Oliver Grunow (FDP) werden die Kriterien beschlossen.Meinung

Zugeständnisse machenEs ist einiges erschreckend in der Diskussion um den neuen Flächennutzungsplan. Zum Ersten die Verweigerungshaltung. Denn eine Ablehnung des neuen Flächennutzungsplans führt nicht zu weniger Windrädern, sondern hat das genaue Gegenteil zur Folge. Es ist wie jemand, der Tempo 100 auf Autobahnen fordert und dann gegen eine Begrenzung auf 120 stimmt - mit dem Ergebnis, dass gar kein Tempolimit zustande kommt. Zum Zweiten ist das Argument, man schütze Störche, Milane und Fledermäuse besser als die Bürger, ausgesprochen populistisch. Denn der Mensch hat den seltenen Tieren einen Großteil ihres bisherigen Lebensraums genommen. Tier- und Naturschutz fängt nicht mit sibirischen Tigern, Flussdelfinen im Amazonas oder Nashörnern in Afrika an, sondern mit den Arten vor der Haustür. Und zum Dritten: Ja, Windräder sind keine Zierde einer Landschaft. Aber irgendwoher muss der Strom für unsere Gesellschaft kommen. Es ist erschreckend, wie allgegenwärtig das gute alte St.-Florians-Prinzip immer noch ist. Jeder will, dass Strom aus seiner Steckdose kommt, aber die dafür notwendigen Erfordernisse - Kraftwerke, Hochspannungsleitungen et cetera - sollen woanders stehen. Das kann nicht funktionieren. Und soll man Bürgern, die seit 40 Jahren neben Kernkraftwerken wohnen müssen, sagen, dass sie weitere 40 Jahre mit der Sorge vor Zwischenfällen leben sollen, nur weil man sich selbst an einen Kilometer entfernt drehenden Windrädern stört? Für die Energiewende müssen alle Zugeständnisse machen. Auch in der Eifel. Ein Endlager für Brennstäbe will auch keiner haben. Dann lieber Windräder. c.brunker@volksfreund.deExtra

Kurzfristiges Umplanen: Das Trierer Büro BGH Plan hatte in den vergangenen Monaten die Situation in der VG Prüm analysiert und die Kriterien entwickelt, nach denen Gebiete im neuen Flächennutzungsplan für Windkraftanlagen ausgewiesen werden sollen (der TV berichtete). Doch vor wenigen Tagen ist ein neuer Windatlas veröffentlicht worden, der genauere Angaben zu den Windgeschwindigkeiten macht. Deshalb mussten die bisherigen Kriterien angepasst werden mit dem Ziel, zu ähnlichen Ergebnissen wie mit der alten Datengrundlage zu kommen. Bevor der Flächennutzungsplan endgültig beschlossen wird, wird er öffentlich ausgelegt. Dann können auch alle Bürger ihre Einwände vorbringen, mit denen sich der VG-Rat befassen muss. Auch im Internet soll die Karte zu sehen sein, das hat VG-Bürgermeister Aloysius Söhngen angekündigt.

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