Glaube im Alltag

Manchmal höre ich in Seelsorgegesprächen die Klage: "Ich kann nicht mehr beten! Die alten Gebete aus meiner Kindheit mag ich nicht mehr - ich weiß nicht, wie ich beten soll. Außerdem: wann soll ich das denn noch tun? Wann hätte ich Zeit dazu?" In der Tat: die Zeit der langen privaten Gebete ist, glaube ich, vorüber.

Auch in den Kirchen ist es kaum anders. Andachten und andere lange Gebete sind "out". Wie kam es dazu? Die Zeiten haben sich geändert; die Gründe sind wahrscheinlich vielfältig. Der Alltag ist heute für viele Menschen sehr ausgefüllt, um nicht zu sagen stressig. Dennoch ist das Gebet etwas wirklich Wichtiges. Und als Glaubender muss man sich Gottes und seiner selbst immer wieder vergewissern. Gerne würde ich Ihnen deshalb heute ein Wort aus der Bibel mit auf den Weg geben, das hier vielleicht hilft. Es findet sich im Buch der Psalmen und heißt: "Herr, du kennst mich!" (Psalm 139,1) Ein seltsames Wort. Macht es Mut, oder macht es eher Angst? Könnte beides sein, kommt wohl auch immer drauf an: Auf den einzelnen Menschen, auf die jeweilige Situation und, und, und ... Der Psalm spricht jedoch als Ganzes ein großes Vertrauen aus. Und das klingt schon mal nicht schlecht. Vielleicht fangen wir einfach an, es zu sagen. "Herr, du kennst mich!" Und dann? Nun, man kann es ja öfter wiederholen. Quasi als Gebet für den Tag: auf dem Weg zur Arbeit, im Strom des Alltages, in Zeiten der Ruhe: "Herr, du kennst mich!" Und immer wieder im Laufe eines Tages. Dann verbinden wir unser Tun mit dem Glauben; und unsere Religion ist auf einmal nicht mehr getrennt vom Alltag. "Herr, du kennst mich!" Vielleicht entsteht mit diesem Gebet auch etwas von der Erfahrung des Glaubens: Ich bin nicht allein, jemand schaut mich an, ich bin geliebt! Sicher - es kann auch das Wort sein, das mich richtet. Aber zuerst soll es ein Wort sein, das mich vertrauen lässt, das mir Geborgenheit schenkt. Probieren Sie es doch mal eine Zeitlang: "Herr, du kennst mich!" Seien Sie gespannt, was daraus wird! Eine gute Zeit wünscht Ihnen allen Ihr Thomas Weber, Pastor Pfarreiengemeinschaft Bitburg

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