Der "Schwarze Peter" geht an den Kreis

Die Ortsgemeinde Freudenburg tritt mit ihrer erfolgreichen Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz gegen die Personalkosten-Beteiligung am örtlichen Kindergarten möglicherweise eine Lawine los. Andere Gemeinden der Verbandsgemeinde Saarburg hatten ebenfalls Widerspruch gegen die Beitragszahlungen eingelegt - eine künftige Regelung ist jedoch noch völlig offen.

Freudenburg/Saarburg/Trier. Theoretisch ist die Ortsgemeinde Freudenburg seit Mitte Dezember um einige Tausend Euro reicher. Am 13. Dezember gab das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz der Klage der Ortsgemeinde gegen die Beteiligung an den Personal- und Sachkosten für den Kindergarten "Hl. Dreifaltigkeit" statt, wie der TV berichtete (siehe Extra).Neben dem Bistum, das als Träger der Einrichtung mit 12,5 Prozent an den Kosten beteiligt ist, schießen auch das Land, der Kreis sowie die Gemeinde - die mit maximal 15 Prozent - der Einrichtung zu.

Das Aufbringen dieser Beiträge ist Ortsbürgermeister Bernd Gödert - wie den meisten übrigen Ortsbürgermeistern der Verbandsgemeinde (VG) Saarburg - in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer gefallen: Seit 1993 gibt es in Freudenburg keinen augeglichenen Haushalt mehr.

Umso stärker bemühen sich Gödert und manch anderer Amtskollege in der VG darum, Einsparpotenziale der Gemeinden ausfindig zu machen.

2004 hatte die Ortsgemeinde Freudenburg, damals noch als "ärmere" Gemeinde bedarfszuweisungsberechtigt, Widerspruch gegen die Kindergarten- Zahlungen eingelegt - und zwar vor dem Hintergrund eines Urteils vom September 2003, auf das Gödert nach Recherche gestoßen sei, wie er im Gespräch mit dem TV schildert.

Rund 90 000 Euro mehr in der Kasse

Nach einem Scheitern des 2004 eingeleiteten Widerspruchs-Verfahrens beim Kreisrechts-Ausschuss und weiteren Verfahren beim Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht bekam die Gemeinde nun schließlich recht. Somit ist sie rückwirkend seit 2004 von den jährlichen Zahlungsverpflichtungen befreit.

"Rund 80 000 bis 90 000 Euro dürfte das insgesamt ausmachen", schätzt Gödert.

Dem vor kurzem in einem Leserbrief des TV formulierten Vorwurf, die Ortsgemeinde demonstriere damit "mangelndes soziales Verantwortungsbewusstsein" und setze bei der Haushaltsführung falsche Prioritäten, entgegnet Gödert: "Das ist wenig sachlich. Das Ganze ist keine soziale, sondern eine haushaltsrechtliche Frage. Es geht um einen gesetzlichen Anspruch, den wir geltend gemacht haben. Als Bürgermeister ist es nicht nur meine Aufgabe, sondern auch meine Pflicht, alle Einnahmequellen auszuschöpfen."

Bumerang für Landrat Schartz

Mit dem Urteil ist der Ball nun an den Kreis Trier-Saarburg zurückgespielt - für Landrat Günther Schartz ein unfreiwilliger Bumerang.

In seiner vorherigen Funktion als Bürgermeister der VG Saarburg hat er 2004 im Zuge des Freudenburger Widerspruch-Verfahrens auch stellvertretende Klage für acht weitere, damals noch bedarfszuweisungsberechtigte Gemeinden der VG, eingereicht. Auch wenn er nach Auskunft Göderts den Gemeinden von einem Widerspruch abgeraten habe mit dem Hinweis, die Kreisverwaltung hole sich das möglicherweise über eine erhöhte Umlage zurück.

Genaue Zahlen sind noch unklar

Nun gilt für alle diese Gemeinden: Ab dem Jahr 2004 sind sie von den Kindergarten-Beiträgen befreit. Dass der Kreis darüber nicht jubelt, liegt auf der Hand. Gleichwohl erklärt Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung: "Urteil ist Urteil. Da wird ein großer Betrag auf uns zukommen." Wie groß der Betrag ist, sei derzeit noch nicht erfasst, heißt es von unterschiedlicher Seite.

So erläutert Albert Jaeger, Leiter des Schulamtes bei der VG-Verwaltung Saarburg: "Das bezieht sich auf die Jahre, in denen die betreffenden Gemeinden Bedarfszuweisungen bekommen haben - was in jedem Jahr unterschiedlich viel war. Im Moment sind wir noch mit dem Zusammenstellen der Zahlen beschäftigt und müssen uns mit der Kreisverwaltung abstimmen. Der Kreis muss das Ganze abwickeln."

Auch da wird nach Auskunft von Landrat Günther Schartz derzeit noch fleißig eruiert.

"Da es das System der Bedarfszuweisungen seit 2006 nicht mehr gibt, muss geklärt werden, wie eine finanzschwache Gemeinde definiert wird. Das gesamte System ist nicht stimmig."

Wie und wann die Gemeinden die geleisteten Beiträge ab 2004 erstattet bekommen, sei momentan noch ungeklärt. Schartz: "Solange wir kein schlüssiges System haben, wie wir weiterhin damit verfahren, bringt es nichts, das in Einzelfällen zu lösen."

Vor allem: Rückwirkend bekommen zwar nur die Ortsgemeinden der VG Saarburg einen Ausgleich. Für die Zukunft werden jedoch zahlreiche Orte der übrigen sechs Verbandsgemeinden im Kreis ihre Ansprüche geltend machen. "Grob geschätzt, kann man für alle sieben Verbandsgemeinden von einer halben Millionen Euro jährlich für diesen Posten ausgehen."

Meinung

Guter Rat wird teuer

Mit diesem Rechtsstreit, den die Gemeinde Freudenburg als Musterverfahren und auf eigenes Kostenrisiko erfolgreich geführt hat, rollt zunächst auf den Kreis eine riesige Lawine zu. Noch wird dort geprüft, wie viele Gemeinden im Kreis überhaupt unter ein neu zu definierendes Kriterium wie "bedarfszuweisungsberechtigt" fallen. Mit der Frage, wie das Problem anzupacken ist, wird der Kreis sich aber sicher nicht alleine beschäftigen. Einmal mehr zeigt dieses Urteil, dass das System der Finanzierung innerhalb der "kommunalen Familie" grundsätzlich überdacht werden muss. Bei stetig leerer werdenden Kassen und - gerade bei der Kinderversorgung - steigenden Pflichtausgaben geht den Gemeinden zusehends die Luft aus. Bleibt der "Schwarze Peter" beim Kreis und sollte sich dieser die Mehrkosten über erhöhte Umlagen zurückholen, ist den Ortsgemeinden nicht geholfen. s.windfuhr@volksfreund.deExtra Hintergrund Gerichtsurteil: Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2007 (AZ 7 A 10850/07.OVG) entschieden, dass "eine finanziell leistungsschwache Gemeinde sich nicht an den Personalkosten eines Kindergartens beteiligen muss". Nach dem Kindertagesstättengesetz "sollten die im Einzugsbereich der Kindertagesstätte liegenden Gemeinden an den vom Jugendamt des Landkreises zu tragenden Personalkosten nur im Rahmen ihrer Finanzkraft beteiligt werden", heißt es in der Erläuterung. Deshalb sei eine Kostenbeteiligung im Falle einer besonderen Finanzschwäche der Gemeinde ausgeschlossen. Der Landkreis Trier-Saarburg hatte gegenüber der Ortsgemeinde Freudenburg für das Jahr 2004 rund 34 000 Euro Personalkosten für den Kindergarten geltend gemacht. Die hiergegen erhobene Klage hatte zunächst das Trierer Verwaltungsgericht, dann das Oberverwaltungsgericht in Koblenz bestätigt.

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