Das Leichte, das so schwer zu machen ist

Trier · Am Samstag geht am Augustinerhof der Vorhang hoch für die komische Oper "Der Wildschütz" von Albert Lortzing. Die Verwechslungskomödie um einen wildernden Dorfschulmeister, weibliche Verkleidungskünstlerinnen und auf erotische Abenteuer erpichte Adlige war zuletzt vor zwanzig Jahren in Trier zu sehen.

Trier. Es gab mal Zeiten, da gehörten Zaren und Zimmermänner, lustige Weiber aus Windsor oder entschwindende Marthas zum Kernrepertoire jedes ordentlichen deutschen Stadttheaters. Die deutsche Spieloper, eine heitere Oper mit gesprochenen Dialogen, lockte in Nachkriegszeiten als große Schwester der Operette so viel Publikum in die Häuser wie der Heimatfilm in die Kinos.
"Komödie ist schwer"


Mit den Nach-68ern verschwanden beide Genres weitgehend von der Bildfläche. Intendanten und Regisseure verspürten wenig Lust, einen vermeintlich biederen Publikumsgeschmack zu bedienen. Und das Spieloper-Publikum war nicht bereit, sich seine heile Welt durch dramaturgische Hinterfragung madig machen zu lassen. So gerieten die Lortzings, Nicolais und Flotows in die Abteilung Theater-Nostalgie.
Regisseur Matthias Kaiser gilt nicht direkt als Spezialist für die leichte Muse. In Trier hat er mit "Otello", dem "Fliegenden Holländer" und zuletzt "Peter Grimes" drei Opern-Schwergewichte inszeniert, ebenso symbolträchtig wie bildmächtig, mit fundierten, plausiblen Deutungen.
Und jetzt der "Wildschütz" als Erholung? Eine Vorstellung, die den Ulmer Operndirektor amüsiert. Im Gegenteil, sagt er, "Komödie ist schwer, weil es immer um Timing und Präzisison geht".
So viel steht fest: Auf die leichte Schulter nimmt Kaiser den "Wildschütz" nicht. Er hat die Handlung der Biedermeier-Komödie vom Jahr 1800 in die späten 1950er-Jahre verlegt, als der dominierende Kult-Komiker Heinz Erhardt hieß und starke Frauen wie Hildegard Knef und Cornelia Froboess alte Rollenbilder aufzusprengen begannen.
Ein kleiner Hauch Anarchie, eine Spur Aufstand gegen die Doppelmoral der Mächtigen: Das sieht Kaiser nicht als Über- oder gar Fehlinterpretation, sondern als Deutung ganz im Sinne Lortzings - immerhin ein bekennender Sympathisant der 1848er-Revolutionäre. "Er lacht nicht die Schwachen aus, er macht sich über die Starken lustig", sagt der Regisseur. Eine kleine Welt zwar, aber eine Welt in Bewegung.
Schon bei den Proben ist erkennbar, dass sich auch Bühnenbildner Detlev Beaujean diese Sicht zu eigen gemacht hat. Aus dem Bühnenboden wächst eine kleine Erdkugel, was die Akteure zu mitunter recht unbequemen Bewegungsabläufen zwingt. Man läuft, taumelt, rutscht durch das schräge Ambiente. Das Ensemble arbeite "mit einer echt tollen Motivation", lobt Matthias Kaiser. Von wegen "nur Spieloper". Der Regisseur hat zu Beginn der Proben eine klare Devise ausgegeben: "Wenn wir Spaß an der Arbeit haben, hat das Publikum auch Spaß an der Aufführung."
Zum Spaß bei Akteuren und Zuschauern könnte beitragen, dass Kaiser die gesprochenen Dialoge runderneuert und ordentlich aufgefrischt hat. Die Musik, für die Kapellmeister Joongbae Jee verantwortlich zeichnet, bleibt dagegen völlig unangetastet. Alles andere, sagt Kaiser, werde dem "zerbrechlichen Komponisten Lortzing und seiner großartigen Partitur nicht gerecht". Die Produktion wolle "die Ohren öffnen für die Qualität der Musik".
Das Trierer Ensemble stemmt alle Partien aus eigener Kraft. Man darf sich auf Joana Caspar und Evelyn Czesla freuen, auf Svetislav Stojanovic und Amadeu Tasca. Ein bisschen Wehmut wird auch mit dabei sein, denn Alexander Trauth verabschiedet sich als Baculus nach fünf Spielzeiten aus Trier. Seine Rollenporträts als Figaro, Kaspar oder Joseph Süß werden in bester Erinnerung bleiben.
Premiere am 15. März, weitere Termine: 22., 28. März; 1., 5., 11., 14., 16., 27. April; 9., 18. Mai. Infos und Karten: 0651/7181818 oder www.theater-trier.de

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