Ein deutsches Schicksal

Mit der Aufführung einer zeitgenössischen Oper setzt das Theater zum Schluss der Spielzeit noch einmal ein Ausrufezeichen. Es geht um eine außergewöhnliche historische Figur, die zu Lebzeiten wie nach ihrem Tod auf dem Schachbrett der deutschen Geschichte hin- und hergeschoben wurde.

Trier. Joseph Süß Oppenheimer war eine Art Bankier im 18. Jahrhundert und gleichzeitig so etwas wie ein früher Finanzminister an einem Württembergischen Fürstenhof. Er wurde, obwohl selbst ein gewiefter Strippenzieher, nach dem Tod seines Fürsten durch Intrigen zu Fall gebracht und schließlich gehenkt. Dabei wurden der Umstand, dass er Jude war, und die daraus resultierenden rassistischen Ressentiments gegen ihn mobilisiert.

200 Jahre später nutzten die Nazis seine Geschichte für den berüchtigten Propagandafilm "Jud Süß", der bis heute als beispielloses Diskriminierungsmachwerk gilt und immer wieder Gegenstand von künstlerischen Auseinandersetzungen ist - so wie aktuell der Kinofilm von Oskar Röhler.

Die Figur Oppenheimer war aber auch Gegenstand von Erzählungen der Autoren Wilhelm Hauff und Lion Feuchtwanger. Und für die Uraufführung in Bremen 1999 entstand die Oper "Joseph Süß" des deutschen Komponisten Detlev Glanert.

"Ein starkes, dichtes Stück, das mich wirklich aufwühlt", sagt Regisseur Sven Grützmacher, der in diesen Tagen die Schlussproben im Trierer Theater leitet. Grützmacher, sonst Ballettchef, hat sich über den Feuchtwanger-Roman in das Schicksal des Joseph Süß eingelesen.

Zwei Facetten will er mit seiner Trierer Inszenierung herausarbeiten: Das Schicksal des Menschen Süß, der einerseits kein besonders religiöser Mensch war, andererseits aber kategorisch ablehnte, zum Christentum zu konvertieren, um damit sein Leben zu retten. Und das Politikum Süß: Was eine explosive Mischung aus Neid, Hysterie und sozialen Spannungen anrichten kann, wie schnell die Stimmung des "Volkes" kippt.

Das sei beileibe "kein historisches Thema, sondern ein zeitloses", vermutet Grützmacher: "Ich glaube, dieses schreckliche Potenzial steckt auch in der heutigen Gesellschaft drin."

Glanerts Oper geht das Thema als Rückblick an. Joseph Süß sitzt 1738 im Gefängnis und erwartet seine Hinrichtung. Sein Leben zieht an ihm vorbei, seine Karriere am Hof, der Tod seiner geliebten Tochter, für die er seinen Herzog verantwortlich macht, das Zerwürfnis mit dem Herrscher, der tiefe Fall, die Demütigung, schließlich seine Entscheidung, seine Religion nicht zu verleugnen.

Glanerts Musik beschreiben Kritiker als "Romantik, von einem modernen Standpunkt aus betrachtet". Seine Vorbilder Mahler und Ravel lassen sich so wenig verleugnen wie sein Lehrer Hans Werner Henze. "Auch für ,Normalhörer' im grünen Bereich", befindet Generalmusikdirektor Victor Puhl, niemand müsse vor dem zeitgenössischen Komponisten Angst haben. Glanert arbeite mit breiter musikalischer Palette, sei kein radikaler Neutöner.

Schwerstarbeit für die Sänger



Der Dirigent hebt besonders die "sehr intelligent gemachte Orchestrierung" hervor. Für die Sänger seien die Rollen freilich "ziemlich anstrengend", vor allem Bariton Alexander Trauth in der Titelrolle leiste Schwerstarbeit.

Das gilt freilich auch für den Mann am Pult. Die heftigen emotionalen Wallungen des Komponisten verlangen dem Dirigenten vollen Einsatz ab. "Am Ende tut der Arm weh", vermutet Puhl schon nach den ersten Bühnenproben. Das Theater liefert zum Saisonfinale noch einmal den vollen Einsatz.

Premiere am 9. Mai, weitere Vorstellungen am 11., 14., 22., 26. und 29. Mai.

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