Fledermäuse und Superstars vorn

TRIER. Eine durchwachsene Bilanz hat das Theater Trier für die Spielzeit 2003/2004 vorgelegt. In der letzten Saison von Intendant Heinz Lukas-Kindermann kamen rund 6500 Besucher weniger als im Vorjahr.

Das Interesse am "normalen" Theaterbetrieb hat sich dabei nicht wesentlich verändert. Aber in der Bilanz schlägt sich der magere Besuch der Antikenfestspiele (minus 2500) und das Fehlen einer Extra-Attraktion wie dem Open-Air-"Jedermann" (ebenfalls minus 2500) nieder. Dennoch sehen Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink und Verwaltungschef Werner Reichert auch Versäumnissse des Theaters. Von Mängeln bei der Disposition und verringerten Vorstellungszahlen ist die Rede. Adressat der Kritik, auch wenn kein Name genannt wird: Ex-Intendant Kindermann. Der hatte viele proben-aufwändige Produktionen angesetzt und deshalb weniger Kapazität für Vorstellungen frei. "Wir haben das Zuschauer-Potenzial nicht ausgeschöpft", sagt Reichert. Tatsächlich zeigt die Bilanz mit der "Fledermaus", "Shockheaded Peter", "Tosca" und "Jesus Christ Superstar" gleich vier Produktionen mit einer Ausla-stungsquote von über 95 Prozent. Bei Theaterprofis gilt das als sicheres Indiz für den Bedarf an zusätzlichen Vorstellungen. Bei allen vier Stücken meldete die Theaterkasse eine riesige Karten-Nachfrage, die mangels Aufführungen nicht befriedigt werden konnte. Dennoch waren die "Trierische" Fledermaus (10 418) und der spektakuläre Jesus Christ Superstar (8422) die Besucher-Könige der Saison, gefolgt vom starken "Hamlet" (7215), der dokumentierte, dass gutes Schauspiel in Trier ein breites Publikum hat. Dafür spricht auch, dass mit "Elling" und "Irma Vep" gleich zwei Studio-Produktionen deutlich den Sprung über die 1000-Besucher-Marke schafften. Das große Interesse an solchen Stücken dürfte den Wunsch des neuen Intendanten Gerhard Weber nach einer zusätzlichen Spielstätten-Option nachhaltig unterstreichen. Sergey Volobuyevs Ballette "Peer Gynt" und "Romeo und Julia" fanden beachtenswerte 10 000 Zuschauer. Weniger erfreulich: Bei "Götz von Berlichingen" und "Komödie im Dunkeln" blieben, statistisch gesehen, fast ein Drittel der Plätze im Großen Haus leer. Beim Orchester sind die Blütezeiten, da manches Sinfonie-Konzert wiederholt werden musste, um den Bedarf zu decken, passé. Mit 84 Prozent ist die Auslastungsquote bei den Konzerten im Großen Haus immer noch respektabel, aber das Publikum ist wählerisch - und resistent gegenüber weniger populären Angeboten. Spielt man Schuberts Dritte, ein Klavierkonzert von Rachmaninov, Respighis "Pini di Roma" oder Dvoráks "Neue Welt", dann ist die Bude voll. Wird unbekannteres Material aus fremden Gefilden dargeboten, gähnt die Musiker reichlich blauer Sitz-Stoff im Zuschauerraum an. Ohne mittelfristiges Konzept sind die Sorgen des Verwaltungsdirektors wegen der "kontinuierlich abnehmenden Tendenz des Zuspruchs" nicht unbegründet. Mit guten Gründen kann man, aller Prognose-Unsicherheit zum Trotz, zumindest eines voraussagen: Auch in der Spielzeit 2004/2005 dürfte das Kinderstück wieder der "Ober-Abräumer" sein. Zum "Gestiefelten Kater" kamen stolze 18 503 kleine Theater-Fans. Ein beachtliches Zukunfts-Potenzial.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort