Guildo hat euch noch immer lieb

20 Jahre ist es her, dass sich von Trier aus ein studierter Musikpädagoge aufmachte, um in Deutschland die betonierten Grenzmauern zwischen Schlager, Pop und Rockmusik einzureißen. Es wurde ein beispielloser Erfolg, der bis heute trägt.

Trier. "Das wird nie was." Es war nicht gerade ermutigend, was die Trierer Rock-Institution Äbbi Simons dem hoffnungsvollen Nachwuchskünstler Guildo Horn einst in der Kürenzer Kneipe "Ternes" mit auf den Weg gab. Schlager- und Rock-Publikum waren in Deutschland seit den 68ern so verfeindet wie Fans von Schalke und Dortmund. Und da wollte einer mit Rock-Besetzung samt schrillem Outfit populäres deutschsprachiges Liedgut intonieren? Mick Jagger sings Michael Holm? Geht's noch?

Neues Publikum für ein verpöntes Genre



"Ich wusste von Anfang an, dass das funktioniert", sagt Horst Köhler 20 Jahre später. Instinktiv schaffte er mit dem verstrubbelten, freakigen, jedem Schlagersänger-Klischee widersprechenden Guildo eine Kunstfigur, die dem verpönten Genre ein neues Publikum erschloss und quasi Dortmund mit Schalke versöhnte.

Nein, eine am PR-Schreibtisch ausgetüftelte Erfolgs-Strategie sei das nie gewesen. Und auch keine ironische Verhohnepiepelung, wie oft vermutet. "Ich habe immer gemacht, was mir Spaß macht", betont der 47-Jährige, "meistens pi mal Daumen". Das sei oft "wie beim Zauberlehrling: Du weißt nicht, was passiert". Als er nach dem Grand-Prix-Erfolg 1998 das Gefühl hatte, da sei "zu viel Reißbrett", zog er einen radikalen Schlussstrich: "Ich wollte zurück auf meine schiefe Bahn".

Die umrundet er freilich stets mit einem hohen Maß an Disziplin. Der anfängliche Zweifel, "ob ich es wirklich schaffe, jeden Abend gut drauf zu sein", ist im professionellen Alltag verschwunden. Trotzdem: Die Leute "positiv anzuzünden" und Freude zu verbreiten, erfordere "unheimlich viel Kraft". Depressive Musik zu machen, sei viel einfacher. Die unverkrampfte Einstellung zum "Spaßfaktor Musik" hat er bei seiner Arbeit mit Behinderten gelernt. "Die musizieren", sagt Guildo, "ohne den Kopf einzuschalten".

So ähnlich hält er das auch, rund 60 Mal im Jahr, wenn er mit den Orthopädischen Strümpfen auf der Bühne steht. Dass die Live-Auftritte für ihn immer noch "eine Frischzellenkur" sind, liegt auch daran, dass er nicht um jeden Preis und nicht zu jedem Preis spielen muss - wie mancher, der einst sehr bekannt war und jetzt durch Bierzelte tingelt.

Guildo ist gut im Geschäft - und zwar in ganz unterschiedlichen Sparten. Gerade hat er eine Gastrolle in der populären Arztserie "In aller Freundschaft" abgedreht. Auf der Theaterbühne spielte er zuletzt in Hagen das Sondheim-Musical "Into the woods". Für den MDR hat er ein Feature mit Behinderten über das Thema "Auf der Suche nach dem Glück" gedreht. Und in Talkshows ist der Mann, der seine erziehungswissenschaftliche Diplomarbeit zum Thema "Die Befreiung von der Vernunft" schrieb, immer wieder ein gefragter Gast.

Oper würde er gerne wieder machen, nach dem Leporello in "Don Giovanni" vielleicht den Papageno in Mozarts "Zauberflöte". Die nächste Film-, Fernseh- oder Bühnenrolle könnte auch mal durchaus "gegen mein übliches Image sein, darauf hätte ich Lust".

Aber einstweilen kann er auch ganz gut in seinem Gehöft im Oberbergischen sitzen, Kühe und Schafe beobachten und Gelassenheit pflegen. Das hilft sicher auch, wenn die Bild-Zeitung, die ihn einst als Grand-Prix-Anwärter groß gemacht hat, wie alle Jahre wieder eine alte Alimenten-Geschichte aufwärmt. Und wenn er mal ganz abtauchen will, weiß er auch, wo: Mit seiner Mutter im Trierer Nordbad. "Da hängt", sagt er, "immer noch die Uhr, die da schon hing, als ich fünf war". Und das sei "einfach ein beruhigendes Gefühl."

Die Jubiläums-CD

"20 Jahre Zärtlichkeit": Guildo Horn ist typische Live-Musik - vielleicht gab es deshalb wenig neue CD-Produktionen in den letzten zwei Jahrzehnten. Zum Bühnen-Geburtstag gönnt sich der Meister ein hübsch zusammengestelltes "Best of", das quer durch zwei Jahrzehnte die größten Hits versammelt. Selbstbekenntnisse wie "Ich find' Schlager toll" und "Das schönste Lied kennt Guildo Horn", Unverzichtbares wie "Guildo hat euch lieb" und "Wunder gibt es immer wieder", letzteres in einer neuen Version, treffen auf Kultiges wie "Café Oriental" oder "Ich mag Steffi Graf". Erschienen ist "20 Jahre Zärtlichkeit" bei EMI. (DiL)

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