"Ich habe alles gesagt"

Trier · Er veröffentlichte Romane, Hörspiele und Kurzgeschichten in den renommierten Verlagen Rowohlt und Amman. Er schrieb seinen Roman "Eifel", bevor der Eifel-Krimi populär wurde. Walter Schenker hat sich in den 1980er Jahren als Schriftsteller entschieden profiliert. Seit einigen Jahren publiziert er seine Texte neu. Und erhält von berühmteren Kollegen unerwartet Lob.

 Walter Schenker war zehn Jahre lang Professor in Trier. Heute legt er frühere Werke als Schriftsteller wieder auf. Foto: Roswitha Kaster

Walter Schenker war zehn Jahre lang Professor in Trier. Heute legt er frühere Werke als Schriftsteller wieder auf. Foto: Roswitha Kaster

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Trier. Im Jahr 1984 war für den Sprachwissenschaftler Walter Schenker die Universitätskarriere beendet. Nach zehn Professorenjahren an der Universität Trier wurde sein Vertrag nicht verlängert. Im Trierischen Volksfreund erschien damals eine Anzeige: "Walter Schenker, Autor des Romans ‚Eifel‘, 10 Jahre Professor an der Uni Trier, wird arbeitslos ohne Arbeitslosengeld und sucht deshalb Arbeit." Das löste bei der universitären Obrigkeit einigen Ärger aus, änderte aber an Schenkers Entlassung nichts.Der Zorn ist noch spürbar

Auch wenn der Zorn darüber im Gespräch mit ihm bis heute spürbar ist - Walter Schenker hat sich unter dem Druck der Umstände zum professionellen Schriftsteller entwickelt. Seine Romane "Anaxagoras" und "Professor Gifter" erschienen 1981 bei Rowohlt und wurden von Rezensenten mit Lob bedacht: "Eine Satire, der wir Bewunderung nicht versagen dürfen", schrieb die Neue Zürcher Zeitung über "Professor Gifter". Und die Wochenzeitung Die Zeit urteilte über "Anaxagoras" kurz und bündig: "Das ist brillant". Auch die übrigen Romane und Erzählungen, die bei Amman in Zürich erschienen, sorgten zwar nicht immer für vernehmliches Rauschen im Blätterwald, wurden aber stets freundlich besprochen. Und mit dem Roman "Eifel" (Amman, 1982), dessen Filmfassung damals im dritten SWF-Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde, hat Schenker die Region zum literarischen Thema gemacht - lange vor Erscheinen der ersten Eifel-Krimis.Mittlerweile hat sich der 73-jährige Schenker als aktiver Autor verabschiedet: "Ich habe alles gesagt, was ich sagen konnte." Aber seit er als Autor verstummt ist, kümmert er sich verstärkt um die Neupublikation seiner Texte. Ein Großteil ist mittlerweile bei "Books on Demand" erschienen. Books on Demand hat auch die jüngsten Publikationen besorgt: "Jugendstil und das Buch Bichsel" und das Lehrstück "Die Schweiz begrüßt Vietnam". Lob von Autor Adolf Muschg

Mit dem stark autobiographisch geprägten "Jugendstil"-Buch ist Schenker bei berühmten Kollegen wie Adolf Muschg und Peter von Matt jetzt unerwartet auf Lob und Zuspruch gestoßen. "Es ist eine kleine persönliche Literaturgeschichte, die Sie dem Leser schenken, und die ich manchmal mit etwas wie Neid über Ihren expressionistischen Jugend-Stil gelesen habe", schreibt Adolf Muschg in einem persönlichen Brief. Mehr als nur Dokumente eines abgeschlossenen Schriftstellerlebens sind beide Bände. Das Theater-Lehrstück "Die Schweiz begrüßt Vietnam" ist mit seinem Thema der Boat people aus den 1980ern inzwischen sogar höchst aktuell. Extra

... Walter Schenker in Trier zu seinem Stück "Die Schweiz begrüßt Vietnam" Sie haben ihr Theater-Lehrstück "Die Schweiz begrüßt Vietnam" von 1981 jetzt erneut publiziert. Was ist an diesem Stück so aktuell? Schenker: Es ging damals um die Boat people der 1980er Jahre. Das Stück löste am Theater Bern einen Skandal aus, weil es der Schweizer Gesellschaft einen Spiegel vorhielt. Das ist heute so aktuell wie damals. Manches im Stück, wie die Flüchtlinge hinter Stacheldraht, ist erst heute Realität. Da hat die aktuelle Entwicklung das Buch eingeholt. Das Stück endet mit einem staatlich unterstützten Mord an rauschgiftsüchtigen Vietnamesen. Wo, bitte, liegen die Parallelen zur Gegenwart? Schenker: Es hat in der Schweiz im vergangenen Jahr tatsächlich Rauschgifthandel unter Flüchtlingen gegeben. Das ist keine Fiktion. Im Begriff "Lehrstück" klingt Bertolt Brecht an.. Schenker: … das ist Absicht, ja. Worüber wollen Sie das Publikum belehren? Schenker: Ich möchte, dass die Flüchtlinge nicht in Vergessenheit geraten. Und ich möchte zeigen, wie schlimm die Perspektiven für Schutzsuchende sein können - in einer Zeit, in der gesagt wird, man könne auf Flüchtlinge schießen. Ist das Stück nur ein Lesedrama, oder hoffen Sie auf eine Aufführung? Schenker: Theater sind sehr schwerfällig. Da auf eine Aufführung zu hoffen, wäre realitätsfremd. Die Fragen stellte TV-Mitarbeiter Martin Möller.mö

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