"Ich kann auch anders"

Trier. (gkl) Die diesjährigen internationalen Orgeltage im Trierer Dom sind ganz der Musik Osteuropas gewidmet. In seinem Eröffnungskonzert machte Domorganist Josef Still gleich vier Nationen die Honeurs.

Warum sind fast alle alten Kirchen geostet, zeigen also mit dem Altarraum in diese Himmelsrichtung? Weil dort Tag für Tag die Sonne aufgeht, ein neues Leben entsteht. Der Osten hat also eine wichtige Bedeutung. Anders verhält es sich bei der Orgelmusik. Aus Sicht der westlichen Welt der Orgelfreunde ist dieser Teil der Kompassrose ziemlich unterbelichtet. Domorganist Josef Still will in diesem Jahr bei den internationalen Orgeltagen im Trierer Dom den Fokus gen Osten richten, auf die Länder, die jahrzehntelang durch einen eisernen Vorhang und auch die westliche Selbstgenügsamkeit kaum Beachtung fanden. Still legt die Latte höher

Auf dem Programm des Eröffnungskonzertes fanden sich dementsprechend Komponisten aus Tschechien (Vaclav Felix Skop) und Ungarn (Zoltán Kodály), Polen war mit Feliks Nowowiejski vertreten und Franz Liszt stellte das Bindeglied zwischen der KuK-Monarchie und Deutschland dar. Zwei Aspekte seines organistischen Könnens wurden dabei von Still besonders gefordert. Zum einen seine virtuos-pianistischen Fähigkeiten. Bekannt ist dies von der Fantasie "Ad nos, ad salutarem undam" von Liszt. Still hängte die Latte mit seiner eigenen Bearbeitung von Kodálys "Tänze aus Galanta" noch ein wenig höher. Mit Perfektion jagte er über die Tasten seiner Domorgel und füllte die heiligen Hallen mit Klängen, für die sonst der gewaltige Klangapparat eines Sinfonieorchesters benötigt wird. Gleichzeitig holte er mit diesem Werk die Orgel aus der manchmal etwas verstaubten Ecke der Sakralmusik heraus und ließ sie lautstark verkünden: Ich kann auch anders! Großartig. Nowowiejskis dritte Orgelsinfonie "Lourdes" forderte von Still die Fähigkeit, eine uns manchmal fremde Religiosität zu vermitteln. Immer wieder zitiert der Komponist mit dem Choral "Die Glocken verkünden mit fröhlichem Laut" quasi die Nationalhymne des Wallfahrtsortes. Still gelang es, trotz dieses Übermaßes die Spannung zu halten. Mit der diesjährigen Reihe verspricht Still einen hochinteressanten Blick in einen organologischen Kulturkreis, der nicht nur für die Freunde der Orgelmusik den Horizont erheblich erweitern kann. Solistin des nächsten Konzertes am Dienstag, den 24. Mai um 20 Uhr ist die lettische Organistin Iveta Apkalna aus Riga. Auf dem Programm stehen neben Werken von Prokofiev, Saint-Saëns und Bach auch drei lettische Komponisten.

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