Männerchor hat doch Zukunft

Trier/Saarbrücken · Keiner anderen Vokalformation hängt ein solch negativer Ruf an wie dem Männerchor. Dabei zeigen Kammerchöre wie das saarländische Ensemble 85, dass sich Männergesang sehr wohl aus dem Dunstkreis von Vereinsmeierei und sentimentaler Pseudoromantik lösen kann.

 Lieber auf der Vespa als im Frack: Ensemble 85 mit Motorrädern, Sonnenbrillen und Sonnenblumen. Foto: privat

Lieber auf der Vespa als im Frack: Ensemble 85 mit Motorrädern, Sonnenbrillen und Sonnenblumen. Foto: privat

Ein Männerchor? Wer darunter bierselige Gesangsabende, stämmige Geselligkeit und ein immergleiches Programm versteht, wird Schwierigkeiten haben, das saarländische Ensemble 85 in diese Schublade zu stecken. Die 16 Männer, die unter der Leitung von Martin Folz in der vollbesetzten Irminenkirche Trier ihre Jubiläumstournee starteten, haben von Anfang an und nun schon seit 25 Jahren Männergesang anders verstanden. Sie haben Neues für ihr Repertoire erschlossen, haben auf Disziplin, sängerische und musikalische Kompetenz gesetzt. 2009 errangen sie beim saarländischen Chorwettbewerb einen 1. Preis und landeten in diesem Jahr beim Deutschen Chorwettbewerb in Dortmund auf Platz 3.

Das Ensemble 85 ist keine Profiformation. Im Gespräch mit dem TV zählt Martin Folz die Berufe der Chormitglieder auf: Ingenieure, Ärzte, Schornsteinfeger, Bergleute, und landet schließlich bei einem Baggerführer, der natürlich tiefen Bass singt. Das Resümee: "Ein Durchschnitt der saarländischen Gesellschaft".

Was die Sänger vor 25 Jahren zusammenführte war kein hochkulturelles Elitegefühl, sondern der Hunger nach Neuem. Und auch die Unzufriedenheit mit den Männerchören damals.

Das "Ensemble 85" und Martin Folz haben damit eine neue Männerchor-Ästhetik kultiviert. Der leichte, strahlkräftige Tenorklang, der profunde, aber bewegliche Bass, unforciertes Forte und vollstimmiges Piano, dazu die Kunst, in einem mehr als einstündigen Programm mit unterschiedlichster Stilistik die Spannung zu halten - in alledem hat dieser Chor Zeichen gesetzt für jüngere Ensembles. Wie der Dortmunder Wettbewerb zeigte, gibt es davon immer mehr. "In Dortmund waren wir der dienstälteste Männerkammerchor", sagt Folz.

Männerchor hat Zukunft - davon ist Martin Folz überzeugt. Der Dirigent, der sich wie kein Zweiter in der grenzüberschreitenden Kultur engagiert - strahlt bis in die Haarspitzen Optimismus aus. "Eine tolle Entwicklung" sei das - weg vom klassischen Männerchor, dessen Abstieg nach 1960 nicht mehr zu bremsen gewesen sei, hin zu kleinen, engagierten, qualifizierten und ehrgeizigen Ensembles. Weg vom sentimentalen "Brunnen vor dem Tore", hin zu historisch und stilistisch breitgefächertem Repertoire. Auf der Jubiläumstour, die nach dem Trierer Auftakt im Saarland stattfindet, singen sie Musik in der weiten Spanne zwischen Mittelalter, Renaissance, Barock und Moderne. Ein "Wunschprogramm" der Chorsänger - ohne die einst modischen Spirituals, Gospels und Folkloresongs. Deren Zeit sei vorbei, meint Martin Folz. Aber auch: "Das klassische Männerchor-Repertoire kommt wieder." Was bedeutet: Auch die romantische Männerchormusik hat Zukunft. Vorausgesetzt, sie verbindet sich nicht mit Vereinsmeierei, sondern mit künstlerischen Ambitionen.

Chor in Kürze

Name: Ensemble 85 Typ: Männerchor Programm: querbeet Leitung: Martin Folz (ehemals Leiter Spee-Chor) Aktive Sänger: 16 Gründung: 1985 im Saarland als "Familienchor" zu einer Hochzeit Projekte: StadtKlangFluss in Saarbrücken, Maria Magdalena im saarländischen Staatstheater Auszeichungen: 1. Preis beim saarländischen Chorwettbewerb 2009, 3. Preis beim deutschen Chorwettbewerb 2010 Kontakt: telefonisch 0651/1455575, im Internet unter www.ensemble-85.de und per Mail an: info@ensemble-85.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort