Mensch... Rainer Brüderle

Wenn bis vor ein paar Monaten vom Sturz eines FDP-Spitzenpolitikers die Rede war, dachte man automatisch immer an Philipp Rösler. Kaum sitzt der Junior etwas fester im Sattel, stürzen Sie - wenn auch nicht direkt aus dem Amt, sondern nur über die eigenen Füße.

Also erstmal: Gute Besserung. So eine Bruch-Landung wünscht man keinem. Okay, wenn Sie jetzt auf dem von Ihnen am intensivsten genutzten Körperteil gelandet wären und hätten vier Wochen nicht mehr sprechen können, dann wäre wohl mancher Bösewicht etwas schadenfroh gewesen. Aber Sie sind ja nicht auf den Mund gefallen - was man schon daran sieht, dass Sie ihr Missgeschick mit dem klassischen Brüderle-Satz kommentierten, Sie seien ein Opfer Ihrer eigenen Dynamik geworden. Lustig fand ich allerdings die Informationspolitik Ihrer Parteizentrale. Erst hieß es, Sie seien nach einem Theaterbesuch hingefallen. Muss wohl ein umwerfendes Stück gewesen sein. Dann wurde ergänzt, Sie hätten noch mit Freunden gespeist. Bis dann schließlich eher kleinlaut bestätigt wurde, ja, eine Weinprobe sei auch dabei gewesen. So als wäre das ein wenig peinlich. Dabei weiß jeder, der Sie kennt, dass bei Ihnen ein paar Flaschen Wein keineswegs die Trittfestigkeit beeinträchtigen - und die moralische Standfestigkeit gegenüber jungen Journalistinnen steht hier ja nicht zur Debatte. Jetzt haben Sie prompt angekündigt, mit Unterstützung von Gehhilfen sofort wieder ins Polit-Geschäft einzusteigen. Auch das wieder sehr entlastend für Ihre Kollegen: Hätte man beim Slogan "FDP zieht mit Krücken in den Wahlkampf" letzte Woche noch wie von selbst an die Herren Niebel und Döring gedacht, hat jetzt jeder den tapfer daherhinkenden Brüderle vor Augen. Aber Vorsicht: Unterschätzen Sie nicht den Effekt, den ein taumelnder Politiker bei den Wählern verursacht. Erinnern Sie sich noch, wie US-Präsident Gerald Ford beim Staatsbesuch in Österreich seinem Gastgeber Bruno Kreisky aus dem Flieger vor die Füße kippte? Er wurde nicht wieder gewählt. So wie George Bush senior, der beim Staatsbankett in Japan auf den Tisch fiel. Oder Edmund Stoiber, der als Kanzlerkandidat beim sportlich-dynamischen Entern der Bühne auf allen Vieren landete - und so die entscheidenden Stimmen gegen den standhaften Deichgrafen Gerhard Schröder verlor. Also: Obacht! Wir brauchen Sie noch. Wer soll denn sonst die Heute-Show mit Pointen versorgen? Dieter Lintz Weitere Kolumnen unter volksfreund.de/kolumne.

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