Mosel Musikfestival 2016 - Wunderkinder und Töne aus der Flasche

Trier · Das kommende Jahr könnte die Trierer über den Verlust ihrer Antikenfestspiele hinwegtrösten. Denn erstmals kooperiert das Mosel Musikfestival mit dem Theater: Im August feiert an der Porta Nigra das Projekt Nero Hero Premiere. Nur eines von 67 höchst unterschiedlichen Musikerlebnissen, die das Festival 2016 bietet.

 Die gebürtige Bernkastel-Kueserin Hilde Kappes erstaunt ihr Publikum bei der Pressekonferenz zum Mosel Musikfestival 2016 mit den klangvollen Rhythmen, die sie einer Plastikflasche entlockt. Auch die Fähigkeiten des sechsjährigen Philip Hahn bringen die Zuhörer zum Staunen. TV-Fotos (2): Friedemann Vetter

Die gebürtige Bernkastel-Kueserin Hilde Kappes erstaunt ihr Publikum bei der Pressekonferenz zum Mosel Musikfestival 2016 mit den klangvollen Rhythmen, die sie einer Plastikflasche entlockt. Auch die Fähigkeiten des sechsjährigen Philip Hahn bringen die Zuhörer zum Staunen. TV-Fotos (2): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann vetter (Ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Trier. Die Zuschauer recken die Hälse, um an den Kameramännern vorbei einen Blick auf das Wunderkind im dunklen Anzug erhaschen zu können, das auf dem niedrigen Hocker vor dem Flügel Platz genommen hat und plötzlich die Reife und das Selbstbewusstsein eines Meisters ausstrahlt.

Zwischen reich verzierten römischen Grabsteinen und einem triumphbogenförmigen Altar werden die Zuhörer staunend Zeuge, wie der sechsjährige Philip in die Tasten greift und spielt wie ein junger Mozart - wenn es auch Beethoven ist. Begeisterter Applaus. Dabei war dies "nur" das Brüderchen des eigentlichen Wunderkinds Laetitia Hahn (12), die für ihr virtuoses Klavierspiel etwa eine Stunde später erneut Bewunderung erntet. Mit einer normalen Pressekonferenz hat all dies nichts zu tun.Mosel Musikfestival 2016


Statt des üblichen Trierer Händchenvolls Journalisten sind rund 80 Gäste der Einladung Hermann Lewens ins Landesmuseum Trier gefolgt, wo er - kaum ist das erfolgreiche Jubiläumsjahr des 30. Mosel Musikfestivals beendet - präsentieren möchte, was es 2016 an der Mosel musikalisch zu erleben gibt.

Und das ist viel: Zwischen dem 15. Juli und dem 3. Oktober werden an 40 verschiedenen Spielstätten an 150 Flusskilometern 67 Konzerte zu hören sein: alte Meister und junge Talente, unterschiedlichste Musikrichtungen. Von A wie Abflussrohr bis Z wie Zimbel werden alle erdenklichen Instrumente erklingen. Mal geht es früh morgens los, mal mitten in der Nacht. Hier gibt es ein Gläschen Wein dazu, dort selbst mitgebrachten Krumpernsalat.

Zu den ausgesucht schönen Spielorten in Weinbergen, Klöstern, Kirchen, Schlössern und Museen gesellen sich neue hinzu, darunter die Villa Reverchon oder das Priesterseminar in Trier, das Weingut Schloss Lieser oder die alte Wollfabrik in Moselkern. Klassisches ist dabei und Kurioses, besinnliche Töne und Comedy, Musik der 20er Jahre und Volksweisen, bissiges Kabarett und schmachtende Geigen. Kurz: Wer bei diesem Programm nichts findet, was man sich mal anhören könnte, ist selbst schuld. "Das ist die Vielheit in der Einheit, würde Cusanus sagen", sagt Festspielintendant Hermann Lewen.

Aus Trierer Sicht wird der Höhepunkt des Mosel Musikfestivals am 5. und 6. August an der Porta Nigra erreicht. Und zwar mit einem Spektakel, das den Trierern über den Schmerz hinweghelfen soll, keine Antikenfestspiele und kein Brot und Spiele mehr zu haben: Das Projekt Nero Hero feiert Premiere. Erstmals arbeitet das Festival dafür mit dem Trierer Theater zusammen. "Ich bin voll freudiger Erwartung. Es ist erstaunlich, dass in all' den Jahren noch keine solche Kooperation stattgefunden hat", sagt Theaterintendant Karl Sibelius. Bei der Uraufführung des Multimedia-Spektakels stehen - wie zeitgleich auch in den Trierer Museen - die vielen Facetten des römischen Kaisers Nero im Mittelpunkt. Neben den Tänzern des Theaters werden mehr als 100 Menschen aus der Region dem römischen Reich Leben einhauchen. Die Musik komponiert die preisgekrönte Band naked lunch.

Wieder recken die Zuschauer im Landesmuseum die Hälse. Diesmal, um zu sehen, wie Hilde Kappes, die am 15. September in Bernkastel auftritt, im wallenden Gewand ein sphärisches Habadabadabahihua singt, ehe sie ihrer Perlenkette, einer Plastikflasche und einem Berliner Abflussrohr Musik entlockt, die man dort nie vermutet hätte. Wieder ein Riesenapplaus.

Philip, der am Flügel so erwachsen wirkte, hat sich wieder in einen Sechsjährigen verwandelt. Auf den Schoß seiner Mutter gekuschelt, blättert er im Festival-Programm als wäre es ein Baggerbilderbuch und zeigt strahlend auf ein Bild. Seine Schwester ist am 7. August im Landhaus St. Urban zu hören. Und wer weiß, vielleicht auch der kleine Meister selbst.

Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter der Hotline 0651/7199-996 sowie auf www.volksfreund.de/tickets . Studenten können die Konzerte 2016 erstmals kostenlos besuchen. Kinder bis zwölf zahlen zehn Euro.Extra

Mosel Musikfestival 2016 - Wunderkinder und Töne aus der Flasche
Foto: Friedemann vetter (Ve._), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Für das Team des Mosel Musikfestivals sind dies Programmhöhepunkte des Jahres 2016: Der türkische Pianist Fazil Say, in seiner Heimat ein bekannter Bürgerrechtler, improvisiert, komponiert und löst dabei Grenzen klassischer Epochen auf. Ein leidenschaftlicher Musiker, der Kritiker weltweit staunen lässt (14. August, Kloster Machern). Währenddessen wandelt Dominique Horwitz, einer der beliebtesten deutschen Schauspieler, mit dem preisgekrönten Fauré-Quartett auf den Spuren von Goethes Reisen (21. August, Kloster Machern).

Charmant, lächelnd, schön: So kennt man Senta Berger. Begleitet vom Trio Cosi fan tango liest die Schauspielerin Texte und erzählt Kaffeehaus-Geschichten des Wiener Autors Alfred Polgar (10. September, Bernkastel-Kues). Humor hat auch Iiro Rantala. Der finnische Preisträger des JTI Jazz Awards 2016 gehört zu den kultiviertesten Pianisten seiner Generation (2. August, IHK Tagungsstätte Trier). Bissig, böse, aber beliebt ist Hagen Rether. Der singende, klavierspielende Kabarettist schmeichelt sich nicht ein, sondern rüttelt wach (8. September, Bernkastel-Kues).

Einmal ketzerisch, einmal traditionell: Wer die vielen Facetten des Komponisten Händel erleben will, geht nachts ins Museum zu Red Priest. Das Ensemble zeigt, warum Kritiker es mit den Rolling Stones verglichen (13. August, Landesmuseum Trier). Wer Händel feierlich mag, hört den Messias als Schlussakkord mit Concerto Köln, dem Trierer Dom- und Kathedraljugendchor sowie Solisten unter der Leitung von Thomas Kiefer (3. Oktober, Dom zu Trier). Barock trifft auf Lounge: Die Berliner Lautten Compagney rückt gemeinsam mit Sängerin und Songwriterin Mine Barock in die Nähe von Pop. Zwischendurch legt DJ Daniel Schule Lounge-Musik auf (1. Oktober, Viehmarktthermen). red/Mos

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