Obama droht ein Fehlstart

Es soll die größte und aufwendigste Polit-Show werden, die Washington jemals erlebt hat. Mit Pomp, jeder Menge Show-Prominenz und vor fünf Millionen Zuschauern will Barack Obama in zwei Wochen vor dem Kapitol seine Amtseinführung zelebrieren. Doch nun droht ihm ein Fehlstart.

Washington. Seit dem Wochenende wohnt der Wahlsieger mit seiner Familie bereits im noblen Hay-Adams-Hotel des Regierungsviertels. Beim Verlassen seines leeren Hauses in Chicago und bei seiner Abreise, die am Samstag schon ganz präsidentengerecht im "Air Force 2"-Dienstflugzeug von Noch-Vize Dick Cheney stattfand, sei ihm einen Moment sogar zum Weinen zumute gewesen, gestand der Demokrat gegenüber Journalisten.

Ein schlechter Kandidaten-Check



Doch viel Zeit für Wehmut blieb Obama nicht. Nur Stunden später überschatteten unerwartete Skandal-Wolken den historischen Ortswechsel. Denn noch vor dem Amtsantritt des designierten Obama-Kabinetts rollte der erste Minister-Kopf. Bill Richardson, einst ein Rivale Obamas im Rennen um die Präsidentschaft und derzeit der Gouverneur von New Mexico, zog am Sonntag überraschend seine Zusage zurück, Handelsminister zu werden. Denn über Nacht hatte sich herausgestellt, dass die Untersuchung einer Geschworenen-Jury in Richardsons Heimstaat zur schweren Belastung werden könnte: Dort widmet man sich der politisch pikanten und möglicherweise auch strafrechtlich relevanten Frage, ob sich ein wichtiger privater Geldgeber für den Gouverneur durch eine Spende einen lukrativen Auftrag vom Bundesstaat gesichert habe. Dass diese Problematik erst nach der Ernennung Richardsons zum Handelsminister an die Oberfläche gelangt, spricht nicht für die Sorgfalt des Obama-Teams, was den Hintergrund-Check dieses Kandidaten anbelangt. "Was ist aus dem Versprechen Obamas geworden, nur Politiker zu berufen, die frei von jeglichen Bedenken sind?" fragte gestern bereits die "New York Post".

Wer anstelle von Richardson das Amt antritt, ist derzeit noch offen.

Clinton-Berufung als Bumerang?



Auch die Berufung der designierten Außenministerin Hillary Clinton könnte sich als Bumerang für den neuen Präsidenten erweisen. Die "New York Times" berichtete am Wochenende, ein New Yorker Geschäftsmann habe im November 2004 der Stiftung von Ex-Präsident Bill Clinton 100 000 US-Dollar überwiesen - zu einem Zeitpunkt, da Senatorin Hillary Clinton damit beschäftigt war, Steuererleichterungen und einen staatlichen Millionen-Zuschuss für ein Projekt des Immobilieninvestors in der Stadt Syracuse (Bundesstaat New York) sicherzustellen. Der enge zeitliche Zusammenhang wirkt dabei anrüchig. Bei den Clintons wehrt man sich gegen den Verdacht, der Einfluss der früheren First Lady sei käuflich gewesen. Es erscheint allerdings nur als eine Frage der Zeit, bis in den US-Medien weitere kritische Fragen zum "Power-Paar" ("New York Times") gestellt werden.

Dabei hat Barack Obama Sorgen genug. Zur Nahost-Krise hat er bisher geschwiegen. Gestern traf sich der Wahlsieger in Washington mit führenden Kongress-Mitgliedern, um die Grundsäulen seines vermutlich 775 Milliarden Dollar teuren Konjunktur-Pakets zu erörtern, das er kurz nach Amtsantritt unterzeichnen will. Für Donnerstag ist dann eine Grundsatzrede zur Wirtschaftskrise geplant.

Meinung

Systemfehler

Ein Handelsminister, der bereits vor seinem Amtsantritt nach Skandal-Schlagzeilen das Handtuch wirft. So hat sich Barack Obama, der nach eigenen Angaben bei der Auswahl der künftigen Regierungsmitglieder besonders großen Wert auf Integrität seiner Mitarbeiter gelegt hat und diese entsprechend durchleuchtet haben will, den Start in Washington bestimmt nicht vorgestellt. Doch der plötzliche Rückzug von Bill Richardson, dessen Rolle es bei einer lukrativen Projektvergabe im Bundesstaat New Mexico noch aufzuklären gilt, war angesichts der schwebenden Untersuchung die richtige Entscheidung: Ein Ausscheiden aus dem Kabinett nach der Vereidigung am 20. Januar wäre sowohl für Richardson wie auch Obama noch schmerzhafter geworden. Der Fall Richardson, aber auch die Vorgänge um Ron Blagojevich - den Skandal-Gouverneur von Chicago - sowie neue Fragen zur politischen "Sauberkeit" Hillary Clintons dürften jenen Kritikern neue Munition liefern, die es als Grundproblem ansehen, wie in den USA politische Karrieren gemacht werden. Nur wer als exzellenter Spendensammler gilt, kann sich Hoffnungen auf einen Aufstieg machen. Und nicht wenige Groß-Spender verbinden mit ihren Zuwendungen Erwartungen an Begünstigte, die damit wiederum unter Druck gesetzt werden. Solange dieses verhängnisvolle System der Wahlkampf-Finanzierung nicht an seiner Wurzel reformiert wird, solange dürften es Hoffnungsträger wie Barack Obama schwer haben, in den USA für wirklichen Wandel zu sorgen. nachrichten.red@volksfreund.de

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