Rastlos im Rampenlicht

Luxemburg · Der Belgier Johan Leysen gehört zu den profiliertesten Theater- und Kinoschauspielern Europas. Er hat in mehr als 130 Film- und Fernsehproduktionen mitgespielt, unter anderem neben George Clooney und Götz George. Nun bringt er in Luxemburg mit "Trauerzeit" sein persönlichstes Stück auf die Bühne.

 Ein prägnanter Kopf: Johan Leysen, hier in seinem aktuellen Film „Photo“, der dieses Jahr in die deutschen Kinos kommen soll. Foto: Verleih

Ein prägnanter Kopf: Johan Leysen, hier in seinem aktuellen Film „Photo“, der dieses Jahr in die deutschen Kinos kommen soll. Foto: Verleih

Luxemburg. Es gibt Gesichter, in denen sich ein ganzes Leben spiegelt. Das von Johan Leysen gehört dazu. Vielleicht ist er deshalb vor der Kamera so gefragt, vor allem, wenn es um gebrochene oder undurchsichtige Figuren geht. Oder um harte Hunde.
In der Cafeteria des Luxemburger Grand Théâtre wirken seine Züge freilich viel weicher als im harten Scheinwerferlicht. Er spricht ein schönes, etwas singendes Deutsch, dem man die Muttersprachen Flämisch und Französisch auf charmante Weise anhört. Ein angenehmer Gesprächspartner ohne Allüren.
Wer seine enorme Präsenz auf der Bühne schon einmal erlebt hat, ist von so viel Umgänglichkeit überrascht. Leysen ist ein Bühnentier, einer, der ein ganzes Stück vor sich her treiben kann. Im Papstpalast von Avignon hat er den mörderischen Ritter Gilles de Rais gespielt, Publikum und internationale Kritik lagen ihm nach der phänomenalen Vorstellung zu Füßen, lobten seine Darstellung als "meisterhaft dämonisch".
Doch in der Öffentlichkeit spielen seine grandiosen Theaterarbeiten in Brüssel, Amsterdam, Paris oder Berlin keine große Rolle - anders als seine Filmarbeit. Er hat mit Regisseuren wie Godard und Chéreau gearbeitet, neben Kollegen wie Michel Piccoli, John Malkovich, Juliette Binoche oder, in "The American", George Clooney. Leysen muss ein Workaholic sein, drehte er doch nebenbei etliche Fernsehserien, wie die zwei "Schimanskis" mit Götz George.
Dreh mit George Clooney


Ob es ihn wohl ärgert, dass Glotze und Leinwand in der Öffentlichkeit viel höher bewertet werden als das Theater? "Das ist halt so", sagt Leysen, "Film ist dauerhaft, Theater wie eine Spur im Sand."
Und doch hat er sich entschlossen, ein ganz persönliches Stück auf die Theaterbühne zu bringen. Zum ersten Mal nicht nur als Darsteller, sondern auch als Autor und Regisseur. "Ein Experiment", wie er betont. Kein leichter Job: "Das Schwierige an der Regie ist, dass man dauernd Dinge entscheiden muss", sagt der 63-Jährige, "das ist eigentlich nicht meine Natur."
Und doch hat er sich entschieden: Für Rainer Maria Rilkes "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke", die Erzählung von einem jungen Soldaten in den Türken-Kriegen des 17. Jahrhunderts, der sein Leben opfert zur Rettung der Regimentsfahne.
Leysen hat die Novelle als Kind kennengelernt, handgeschrieben von seinem früh gestorbenen Vater, der die Kurzgeschichte ins Flämische übersetzt hatte. Seither ließ sie ihn nicht mehr los. Nun hat er rund um den "Cornet" seine eigene Geschichte über Trauer und Verlust aufgeschrieben, Künstler für die szenische Einrichtung und die Musik gewonnen - und in Luxemburg einen Partner gefunden, der ihm die Realisierung ermöglicht: "Intendant Frank Feitler und ich haben gemeinsam, dass wir Abenteuer lieben."
Nun steht das "Trauerzeit" genannte Abenteuer vor der Realisierung, als Erzählung auf mehreren Ebenen, mit Leysen, der Rilke auf Deutsch vorträgt, der Schauspielerin Isabelle Ronayette, der Sängerin Louise Wayman und dem Cello-Quartett Aton & Armide.
Die Produktion geht nach Paris, anschließend macht sich Johan Leysen, der Rastlose, auf nach Avignon, um mit Regisseur Ludovic Lagarde beim Festival einen ganz neu gedachten "König Lear" auf die Bühne zu bringen. Der beim Publikum, wie stets bei Leysen, wohl mehr hinterlassen wird als ein paar Spuren im Sand.
Karten für "Trauerzeit" am 6. und 7. Juni, 20 Uhr, im TV-Service-Center Trier und an der Abendkasse des Grand Théâtre.

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