Singing in the rain

Trier · Sommerliche Freiluft-Konzerte gelten Veranstaltern wie Publikum meist als Höhepunkt der Saison. Aber der Kulturgenuss wurde in den letzten drei Monaten immer wieder durch die Kapriolen der Witterung getrübt. Zum Leidwesen der Organisatoren.

Trier. Die Konzertveranstalter in der Region brauchten in den vergangenen Wochen weder Schauerromane noch Horrorfilme, wenn sie sich so richtig gruseln wollten - ein Blick in die Wetterprognose reichte meist vollkommen, um es eiskalt über den Rücken laufen zu lassen.
Mehr als 50 Open Airs standen zwischen Kail und Saarburg, zwischen Trier und Losheim auf der Agenda - rund zwei Drittel davon waren von Regen oder Kälte gebeutelt. Kein Wunder, dass die Veranstalter auf das Wetter nicht gerade gut zu sprechen sind. "Das ist frustrierend, man kann sich auf gar nichts mehr verlassen", sagt der Chef des Mosel Musikfestivals, Hermann Lewen. Und Rock-Impresario Ingo Popp befindet so kurz wie bündig: "Das Wetter ist nicht mehr normal." Gestern noch 35 Grad Hitze, heute 35 Liter Regen pro Quadratmeter, das sei "die reine Lotterie".
Verregnetes Sahnehäubchen


Dennoch sind die beiden größten Konzertmacher der Region unterm Strich nicht unzufrieden mit dem Zuspruch. Lewen musste bei neun geplanten Open Airs fünf Mal in den Saal ausweichen - trotzdem seien die Besucherzahlen "absolut in Ordnung". Bei schönem Wetter bringe die Abendkasse zwar das "Sahnehäubchen", aber das Stammpublikum komme auch so.
Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das Festival die Umzüge reibungslos und für das Publikum möglichst komfortabel abzuwickeln pflegt. Die Routine macht\'s: "Wir pokern nicht mehr bis zur letzten Sekunde." Die Zuschauer seien auch nicht sauer, im Gegenteil: "Die leiden mit uns", erzählt der Intendant.
Lewen hat sein Open-Air-Programm durch, Ingo Popp muss am Freitag noch einmal in Losheim ran, mit "Unheilig". Fünf Open Airs hat er diesen Sommer organisiert, fünf Mal hat es geregnet. Die Prognose für Freitag, 20 Uhr: 17 Grad, Regen. Die Ironie des Schicksals lässt sich aber ganz gut aushalten, wenn man schon 18 000 Karten verkauft hat. Bei großen Namen wie BAP, Helge Schneider oder Unheilig sichert sich das Publikum die Tickets meist im Vorverkauf - das relativiert das Wetter-Risiko.
Dass Regen und Sturm Ingo Popp trotzdem Bauchgrummeln verursachen, hat mit den Katastrophen-Bildern eingestürzter Bühnen in den letzten Tagen zu tun. "Das gibt einem schon zu denken", sagt Popp, der schon oft Mammut-Konzerte in der Größenordnung von Pukkelpop organisiert hat. In den kleineren Dimensionen des Amphitheaters hält er ein vergleichbares Unglück für ausgeschlossen. Wetter hin oder her: Für die dortigen Open Airs 2012 sitzt er schon an der Planung.
Die Kleinen trifft es am stärksten


Bitterer trifft das Wetter-Glücksspiel die kleineren Veranstalter, deren Tickets oft erst an der Abendkasse weggehen. So kamen zum Ezio-Open-Air an der Saarburg nur 200 Besucher, das Summernight-Rockkonzert musste in die Stadthalle verlegt werde, die mit 300 Zuschauern nicht unbedingt ausgelastet war. Beim traditionellen "Rock am Waldrand" in Dörbach drängten sich 800 Gäste statt der erhofften 1200 unter die Regenschutz-Plane. Und die "Ganz in Weiß"-Party von Thomas Schwab hätte sicher mehr als 750 Fans angezogen, wäre sie nicht notgedrungen in die Trierer Arena verlegt worden.
Trotzdem: Nicht allen verdarb der Regen den Spaß. Die "Klassik auf dem Vulkan" registrierte im Dauner Maarkessel zwar frostige Temperaturen, aber auch um 40 Prozent mehr Zuschauer. Die Reihe "Jazz im Brunnenhof" des Trierer Clubs Eurocore, die am heutigen Donnerstag zu Ende geht, lockte zu jedem ihrer acht Konzerte durchschnittlich mehr als 200 Besucher - obwohl man regelmäßig Schirme und Decken hätte verkaufen können.
Im September gibt es nur noch vereinzelte Freiluft-Nachdreher, am kommenden Wochenende läutet das Trierer Theater mit der Großproduktion "West Side Story" schon die Hallensaison ein. Trotz aller Wetter-Sperenzchen: Die nächste Open-Air-Saison kommt bestimmt - und bis dahin ist das Wetter 2011 wohl längst in Vergessenheit geraten.

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