Vom Raum, der sich im Raum verbirgt

Trier · Was Eduardo Chillida als Auseinandersetzung mit dem Raum in seinen Skulpturen ins Bild setzt, hat er in seinen Grafiken in die Fläche übertragen. Sie sind im Rahmen eines Projekts des Kunsthistorischen Instituts der Universität Trier noch bis März in der Europäischen Rechtsakademie zu sehen.

 Den weiträumigen Vorplatz der Europäischen Rechtsakademie prägt eine Plastik des Spaniers Eduardo Chillida. TV-Foto: Archiv/Josef Tietzen

Den weiträumigen Vorplatz der Europäischen Rechtsakademie prägt eine Plastik des Spaniers Eduardo Chillida. TV-Foto: Archiv/Josef Tietzen

Trier. Er hat sich selbst einmal als "Architekt der Leere" bezeichnet. Bis heute ist ihm dieses Etikett mit all seiner Missverständlichkeit geblieben. Denn keineswegs war Eduardo Chillida einer, der das Nichts in Baugestalt organisiert oder es gar bemäntelt hätte. Die Leere des spanischen Bildhauers ist der Freiraum, gleichermaßen der geistige wie der reale. Ihn ringt er seinem Material ab, in seinen besten Arbeiten dem Cortenstahl. Umgekehrt ist es erst der Rahmen des stählernen Gitterwerks, die sich zum Raum formierende Linie, die diesen freien Raum sichtbar macht. All das ist ebenso eindrücklich in Chillidas Skulptur "Käfig der Freiheit" auf dem Gelände der Europäischen Rechtsakademie (ERA) zu erleben wie in der aktuellen Ausstellung dort. Gezeigt werden im Innenraum der ERA Chillidas Grafik Mappe "Aromas", die neben Radierungen Holzschnitte und Lithographien enthält. Zu sehen sind zudem Teile seines Radierzyklus "Une Hélène de vent et de fumée". Die poetischen Blätter wurden inspiriert vom gleichnamigen Gedicht des Franzosen Yves Bonnefoy und setzen sich mit dem Verhältnis von Wind und Rauch auseinander. "Unser Wissen ist niemals umfassend - verbirgt doch das Wohlbekannte in seinem Inneren das Unbekannte", lautete eines der am häufigsten zitierten Sätze Eduardo Chillidas. Darin drückt sich nicht nur sein eigenes Verhältnis zum Raum aus, sondern auch die Raumvorstellungen, die Chillida maßgeblich geprägt haben. Seit Albert Einsteins Erkenntnissen über die Unendlichkeit des Weltraums hat sich die historische Vorstellung eines begrenzten, klar zu definierenden Raums, in dem Erde und Sonnensysteme verortet sind, erledigt. Was Raum bedeutet, ist relativ, je nach Wahrnehmung, Wissen und Perspektive. Für den Philosophen Martin Heidegger, dessen Aufsatz "Zeit und Raum" für Chillida zum Schlüsselerlebnis wurde, ist der Raum kurz gesagt, nur noch eine Idee, die in den unterschiedlichen Formen wie Zeiträumen, gebauten Räumen, Vorstellungsräumen und vielem mehr Gestalt annimmt. Sich diesem unbekannten unendlichen Raum anzunähern, neue Räume in seinem Innern zu entdecken und sichtbar zu machen, Freiräume darin zu schaffen, darauf zielt Chillidas Werk. Was mittels Cortenstahl als Skulptur Bild wird, hat der Künstler in den Blättern von "Aromas" in die Fläche übertragen. Der geschlossene Raum der schwarzen Form liegt im freien Raum der weißen Fläche und wird durch sie aufgebrochen. Übrigens: Philosophie des Raums hin und her: Die schwarz-weißen Grafiken sind auch als ästhetische Ereignisse ausgesprochen ansehnlich.Bis 15. März, Montag bis Donnerstag, 8 bis 18 Uhr, freitags von 8 bis 17 Uhr. Weitere Informationen unter der Telefonnummer 0651/937370 oder im Internetera.int

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