Fernsehkritik Böse Worte über Winzer an der Mosel: So pöbelt Böhmermann gegen deutschen Wein

Köln · "Wein ist schlimmer als Hitler, denn Hitler war wenigstens Vegetarier“, brüllt Böhmermann den ZDF-Zuschauern entgegen. Die Schimpftirade wendet sich auch gegen Günther Jauch und die angeblich faulen Moselwinzer.

Jan Böhmermann hat im ZDF Magazin Royale kräftig gegen die Weinindustrie ausgeteilt.

Jan Böhmermann hat im ZDF Magazin Royale kräftig gegen die Weinindustrie ausgeteilt.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Dieses Mal geht Satiriker Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royale besonders aggressiv zur Sache. Es macht ihm sichtlich Freude, im Fernsehen die deftigsten Beschimpfungen auszupacken, um einem neuen Feindbild zu begegnen. Damit löst er das Versprechen ein, das er den Zuschauern zu Beginn seiner Wutrede gegeben hat: "Herzlich willkommen zur ersten Weinbeschimpfung im deutschen Fernsehen!"

Was eigentlich sein genaues Problem mit dem Wein ist, bleibt zunächst zwar im Dunkeln. Aber zumindest lässt Böhmermann keinen Zweifel daran aufkommen, wohin die Reise geht: „Heute haue ich dem Wein mit dem Holzhammer in seine dämliche Eichenfass-Fresse.“

Böhmermann gegen Günther Jauch und andere „prominente Feingeister“

Zunächst erfährt der Zuschauer, dass Jan Böhmermann ein Problem mit den Weintrinkern hat. „Wein trinken ist der beste Trick, um kultiviert und belesen zu wirken, obwohl man es womöglich gar nicht ist.“

Der Satiriker stellt fest, dass der Wein einen guten Ruf hat, zumindest im Vergleich zu anderem Alkohol. Ein gutes Beispiel dafür soll Günther Jauch liefern, der früher noch Werbung für Bier machte, inzwischen aber unter die Winzer gegangen ist. „Günther Jauch gehört das Weingut von Othegraven an der Mosel“, erklärt Böhmermann seinen Zuschauern. Diesen Fakt kann man wohl gerade noch durchgehen lassen. Eigentlich liegt das Weingut direkt an der Saar, aber die Mosel auch gleich um die Ecke. Das Anbaugebiet hat die Satire-Redaktion jedenfalls getroffen.

Aber warum kommt das ZDF Magazin Royale nun darauf, dass bekannte Persönlichkeiten etwas mit dem Wein-Problem zu tun haben? „Eigener Wein ist gut fürs Image von prominenten Feingeistern. Und prominente Feingeister sind gut fürs Image vom verf*** Wein. Darum ist Günther Jauch auch nicht der einzige deutsche TV-Charismatiker, der sich freiwillig mit dieser verschissenen Traubenplörre ins Bett legt.“ Diese Argumentation lassen wir mal so im Raum stehen. Was Böhmermann sagen will, wenn man seine Botschaft in zivilisierte Worte verpackt: Wein hat ein gutes Image, aber das natürlich völlig zu Unrecht.

Jan Böhmermann motzt über Moselwinzer, die sich keine Mühe geben

Tatsächlich gehört Deutschland zu den Ländern mit dem höchsten Weinkonsum pro Kopf. In Böhmermanns Statistik belegt Deutschland den siebten Rang. Allerdings dürfe man sich nicht vorstellen, dass viele edle Tropfen darunter sind. „Wein, der unter vernünftigen Bedingungen hergestellt wird, kann sich in Deutschland kaum jemand leisten“, meint Böhmermann.

Im Durchschnitt Kostet der Liter demnach 3,64 Euro und damit angeblich viel zu wenig für ein gutes Produkt. „Für 3,64 Euro pro Liter läuft kein verschissener Winzer zu Fuß an der Mosel den Hang hoch, schneidet selbst die Trauben von der Rebe oder gibt sich überhaupt nur ein kleines bisschen Mühe.“ Das ZDF Magazin Royale beklagt, dass längst in großem Maßstab Maschinen am Weinberg zum Einsatz kommen. „Die allermeisten Weine, die man bei uns kaufen kann, werden industriell angebaut und geerntet. Nur so kann die Weinindustrie überhaupt die Nachfrage nach deutschem Wein stillen“, ruft Böhmermann in durchgängig aufgebrachtem Tonfall aus. Wir nähern uns in seiner Argumentation dem eigentlich springenden Punkt.

Dem Satiriker geht es gegen den Strich, dass Wein als Naturprodukt gilt. Denn für ihn hat der Moderne Weinanbau damit überhaupt nichts mehr zu tun. Und das Image, das der Wein in der Öffentlichkeit genießt, verdeckt diese Tatsache.

Er regt sich auf über zahlreiche Zusatzstoffe, die nicht deklariert werden müssen. Er regt sich auf über Pestizide, die beispielsweise Frösche töten. Er regt sich auf über die maschinelle Ernte, bei der sich unappetitliche Dinge unter die Trauben mischen – man denke nur an die zuvor genannten Frösche. Und das alles muss aus dem Wein am Ende herausgefiltert werden, wofür sich wiederum die tierische Gelatine anbietet.

Harte Vorwürfe gegen Winzer im ZDF Magazin Royale

Anschließend legt Böhmermann sogar noch mit einer sehr gewagten These nach: „Der gefilterte Wein schmeckt nach nichts mehr. Und darum müssen die Winzer und die Weinindustrie kräftig nachhelfen. Die müssen nämlich künstlich Geschmack rein tun.“ Wer sich noch nie mit dem Thema Wein beschäftigt hat, könnte nach dieser Schilderung auf die Idee kommen, deutsche Winzer würden ganz selbstverständlich Aroma in ihren Wein kippen, wie es die Lebensmittelindustrie sonst mit Limonade oder Fruchtjogurt macht. An dieser Stelle sollte man erwähnen, dass genau das verboten ist.

Bei genauerer Betrachtung regt sich Böhmermann aber eigentlich nur über eine einzige Sache auf. Ihm gefällt es nicht, dass andere Menschen aus dem Bauch heraus denken, Wein werde ohne jedes Hilfsmittel hergestellt, komme quasi automatisch aus Bio-Anbau und sei eine völlig vegetarische Angelegenheit. Oder in den provokanten Worten des Satirikers gesprochen: „Wein ist schlimmer als Hitler, denn Hitler war wenigstens Vegetarier.“

Die Winzer sind faule Betrüger, die Weinfreunde sind fehlgeleitete Snobs. So könnte man das alles zusammenfassen. Aber das soll letztlich nicht Böhmermanns Problem sein, sondern das Problem der anderen. “Juckt mich doch nicht, ob Sie sich regelmäßig durch Schweineschwarten gefilterte Pestizit-Rebenrotze reinorgeln“, gibt er seinen Zuschauern als Abschluss-Pöbelei mit auf den Weg.

Wer sich sich das alles in voller Länge ansehen möchte, findet auf der Website des ZDF die komplette Folge ZDF Magazin Royale vom 14. Oktober 2022.

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