Der Ministerpräsident und das Unwort

Bernkastel-Wittlich · Die Kommunalreform treibt seltsame Blüten. Alle reden von Zwangsfusion, nur der Ministerpräsident mag diese Wortwahl nicht. Aber selbst seine eigene Partei verwendet diesen Begriff.

Bernkastel-Wittlich. Zum Wort des Jahres hat es noch nicht gereicht. Der Begriff "Zwangsfusion" ist aber in aller Munde, seit das Land eine Kommunal- und Gebietsreform befeuert - mit dem Ziel, kleine Verbandsgemeinden aufzulösen und ihre Orte in größere Kommunen zu integrieren. Wer das bisher nicht auf freiwilliger Basis geschafft hat, dem droht eine solche vom Land verordnete Zwangsfusion.
Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hört diesen Begriff offenbar gar nicht gerne. In einem Schreiben an den CDU-Landtagsabgeordneten und Beigeordneten des Kreises Bernkastel-Wittlich, Alex Licht, äußert er sein Befremden über diesen Ausdruck und wünscht sich eine "sachlich angemessene Formulierung." Licht hatte im Zusammenhang mit der Diskussion in der Verbandsgemeinde Thalfang in einem Schreiben an Beck diesen Begriff gewählt.
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"Gerade von einem Mitglied des Landtags Rheinland-Pfalz sollte es als selbstverständlich erwartet werden können, dass es Beschlüsse des Parlaments und deren Umsetzung durch die Exekutive respektiert, auch wenn es inhaltlich anderer Auffassung ist", schreibt Beck. "In diesem Sinne von Zwang zu sprechen ist ebenso abwegig wie wenn man beispielsweise Steuern als Zwangsabgaben, eine auf Rot geschaltete Ampel als Zwangshalt oder die Halbzeitpause in einem Fußballspiel als Zwangsunterbrechung bezeichnen würde", erläutert der Regierungschef.

Nicht bekannt ist, ob Beck auch die eigenen Parteimitglieder an die Kandare nimmt. Wer googelt und die Begriffe SPD, Zwangsfusion und Rheinland-Pfalz eingibt, findet bereits auf der ersten Seite zwei Pressemitteilungen von SPD-Ortsvereinen.
In Hochspeyer (Pfalz) ist die Rede von zwangsweiser Fusion, in Limburgerhof (Rhein-Pfalz-Kreis) von Zwangsfusion.
Licht hatte den Ministerpräsidenten über die Situation informiert und dargestellt, wo es schwer ist, einen Fusionspartner zu finden. Eine Reform der Verbandsgemeinden solle mit einer ganzheitlichen Kommunal- und Verwaltungsreform auf allen Ebenen einhergehen.
Beck fasst in seiner Antwort den Ist-Zustand zusammen. Kernsatz: In den nächsten Monaten wird das Ministerium des Inneren, für Sport und Infrastruktur Vorschläge für die als erforderlich erachteten, nicht auf freiwilliger Basis zustande gekommenen oder zustande kommenden Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden sowie Vorschläge für gesetzliche Regelungen dazu ausarbeiten. Dabei wird auch vorgeschlagen, was mit der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf geschehen soll. Neues zu dem Thema kommt nicht aus Mainz. Dafür folgt dann der Absatz über den Begriff Zwangsfusion.
Meinung

Es gibt Wichtigeres zu tun
Am Nürburgring gescheitert, am Flugplatz Hahn in der Bredouille: Und da macht sich Ministerpräsident Kurt Beck Gedanken über die Wortwahl bei der Zusammenlegung von Kommunen im Land. Wenn hier das größte Problem liegt, muss es Rheinland-Pfalz augenscheinlich sehr gut gehen. Selbst in der eigenen Partei wird unverblümt von Zwangsfusion gesprochen, überall sonst sowieso. Was ist es auch anderes, wenn das Land demnächst bestimmt, wer mit wem zusammengehen soll? Hat Kurt Beck wirklich nichts anderes zu tun als andere zu maßregeln? c.beckmann@volksfreund.de

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