Gesundheit Notfälle sollen zum Tresen gehen

Trier · Bei der geplanten Zusammenarbeit von Kliniken und niedergelassenen Ärzten geht es auch um die Neuverteilung des Geldes.

 Die meisten Notaufnahmen in den Kliniken sind überlastet. Ein neues Modell soll für Abhilfe sorgen.

Die meisten Notaufnahmen in den Kliniken sind überlastet. Ein neues Modell soll für Abhilfe sorgen.

Foto: dpa/Friso Gentsch

In vielen Krankenhäusern der Region gibt es Bereitschaftsdienstzentralen. Sie haben mit den Kliniken nichts zu tun. Die Häuser stellen in der Regel lediglich die Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen niedergelassene Ärzte außerhalb der Praxisöffnungszeiten Patienten behandeln. Mussten Patienten früher erst einmal schauen, welcher Arzt am Wochenende oder am Mittwochnachmittag Notdienst hat, können sie mittlerweile gezielt zu den entsprechenden Zeiten in die Bereitschaftsdienstzentralen in den Krankenhäusern gehen. Betrieben werden sie von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz, die für die niedergelassenen Ärzte im Land zuständig ist. Zwar sind viele dieser Bereitschaftsdienstzentralen, die nichts mit den Notfallambulanzen in den Kliniken zu tun haben, mittlerweile täglich geöffnet, allerdings nicht rund um die Uhr, sondern eben nur, wenn die Praxen der niedergelassenen Ärzte in der Regel geschlossen sind. Nach der derzeitigen Rechtslage könne die KV die Bereitschaftspraxen nur außerhalb der Sprechstundenzeiten betreiben, heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerun. Das soll sich aber ändern. Der Bundesrat wird in der kommenden Woche über eine von Schleswig-Holstein eingebrachte Gesetzesänderung debattieren.

Diese Änderung ist Vorraussetzung für die sogenannten Portalpraxen, die den Notfallambulanzen in den Kliniken vorgeschaltet werden sollen. Konkret könnte das bedeuten, dass alle Patienten, die eigenständig und ohne Einweisung ins Krankenhaus kommen, nicht mehr direkt in die Notfallambulanz gehen dürfen, sondern zunächst zu den den Bereitschaftsdienstzentralen. Der Präsident der Landesärztekammer, Günther Matheis, spricht von einem gemeinsamen Tresen von niedergelassenen Ärzten und Notfallambulanz der Kliniken: „Genau an dieser Stelle muss entschieden werden, welche Versorgungsform für den jeweiligen Patienten in der aktuellen Situation die richtige ist. Braucht er eine Versorgung, die ihm nur in der Klinik gewährt werden kann, dann muss der Patient stationär aufgenommen und weiter behandelt werden. Stellt sich heraus, dass dem Patienten in der ambulanten Versorgung gut geholfen werden kann, dann wird er an den ärztlichen Bereitschaftsdienst weitergeleitet.“

Auch die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler favorisiert dieses Modell: „Eine solche Kooperation zwischen Krankenhaus und Kassenärztlicher Vereinigung wäre auch ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.“

Bislang ist das Gesundheitswesen in Deutschland in Sektoren eingeteilt und zwar in den stationären und den ambulanten Bereich. Und beide, also Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte, werden unterschiedlich finanziert. Die KV ist für Honorierung der Haus- und Fachärzte zuständig. Die Kliniken rechnen in der Regel direkt mit den Krankenkassen ab. Bereits jetzt ist vielen niedergelassenen Ärzten ein Dorn im Auge, dass in den Notfallambulanzen der Kliniken auch Patienten behandelt werden, die keine echten Notfälle sind und ihnen damit Honorar entgeht.

Bei einer endgültigen von der Politik ausdrücklich gewollten Aufhebung dieser Sektorengrenzen, müsste auch über eine Neufinanzierung des ambulanten und stationären Bereiches nachgedacht werden. Es müsse noch am „Feintuning“ gearbeitet werden, um die Schnittstelle ambulant und stationär weiter auszugestalten, sagt der Vorstandsvorsitzende der KV Rheinland-Pfalz, Peter Heinz. Er verweist auf ein Pilotprojekt namens Demand, das in diesem Jahr starten soll. Dieses sehe vor, dass künftig Notfallpatienten über die bundesweit einheitliche Nummer der Bereitschaftsdienstzentralen (116117) eine Ersteinschätzung erhalten sollen. Bereits am Telefon soll dann entschieden werden, ob eine Einweisung in die Notaufnahme notwendig ist, eine Behandlung in der Bereitschaftsdienstzentrale erfolgen  kann oder es ausreichend ist, wenn der Patient am nächsten Tag zu seinem Arzt geht. Auch die Techniker Krankenkasse fordert eine solche koordinierte Notfallversorgung. Dazu soll es gemeinsame für die Notrufnummer 112 und die der Bereitschaftsdienstzentralen 116117. geben. „Hierfür müssen standardisierte Einschätzungen des Behandlungsbedarfs und der Dringlichkeit entwickelt werden“, sagt die Sprecherin der TK Rheinland-Pfalz, Cornelia Benzing. Dazu müsse auch die entsprechende Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals sichergestellt werden.

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