Bei den Grünen wächst der Ärger über Eveline Lemke

Mainz · Wirtschaftsministerin Eveline Lemke gerät unter Druck. Die CDU will zwei merkwürdigen Vorfällen in ihrem Ressort auf den Grund gehen. Die Landtagsfraktion der Grünen verteidigt ihre Vorzeigefrau keinesfalls. Sie grollt.

Mainz. "Was ist los im Ministerium von Frau Lemke?" Das fragt dieser Tage nicht nur CDU-Fraktionsvize Christian Baldauf. Aus Lemkes Haus sind in zwei Fällen Informationen an die Öffentlichkeit gespielt worden, die der Ministerin schaden oder sie zumindest in Erklärungsnot bringen könnten. Baldauf hat Lemke in einer Kleinen Anfrage zur Stellungnahme aufgefordert.

Vorfall 1: Staatssekretär Uwe Hüser, Lemkes Stellvertreter, hat sich als Delegationsleiter per Dienstwagen nach Italien fahren lassen, den Chauffeur nach einer Übernachtung heimgeschickt und sich später von diesem wieder abholen lassen. Hüser könne nicht fliegen, begründet das Ministerium. Dann hätte er den Zug nehmen und auf die vier kostspieligen Autofahrten verzichten müssen, kritisiert die CDU.

Vorfall 2: Aus Lemkes Ministerium ist mit offiziellem Briefkopf ein Schreiben an kommunale Verwaltungen verschickt worden. Das Problem: Der Brief betrifft keine dienstlichen, sondern private Belange.TV-AnalySe Landespolitik


Es geht um Lemkes Heimatort Bad Bodendorf. Diesem soll möglicherweise der Status eines Kurortes aberkannt werden. Lemkes Schreiben beinhaltet den Entwurf einer Resolution, um das zu verhindern. Aus dem Ministerium heißt es, der Brief sei "lediglich ein persönlicher, informeller und vertraulicher Hinweis von Frau Lemke als Bürgerin von Bad Bodendorf" gewesen.

Beinahe genüsslich stellt Christian Baldauf dazu fest: "Die Grünen, die anderen immer gerne mit dem erhobenen Zeigefinger begegnen, müssen sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen." In der Öko-Partei stößt es wiederum sauer auf, sich das ausgerechnet von der Union vorhalten lassen zu müssen.
Dass interne Vorfälle wie diese gezielt den Medien zugespielt werden, ist bemerkenswert. Es belegt einen gewissen Unmut im Ministerium. Andererseits dürften die Indiskretionen dadurch befördert worden sein, dass die stellvertretende Ministerpräsidentin in den eigenen Reihen alles andere als unumstritten ist. In der Landtagsfraktion der Grünen schwelt schon länger Ärger über sie. Aktuell spricht ein Fraktionsmitglied von "mächtigem Ärger".
Erstmals ist Lemke mit einem missglückten Terminmanagement nach Amtsantritt aufgefallen. So bekamen ausgerechnet die Kammern fast ein halbes Jahr von der Wirtschaftsministerin keinen Gesprächstermin.
Kaum war der Zorn verraucht, eckte die Ministerin mit ihrem ersten Gesetzentwurf zum Landesentwicklungsprogramm IV an. Diesmal stärker, denn das mit dem LEP IV verbundene Thema Energiewende betrifft den Kernbereich grüner Politik.
Kritiker in der grünen Fraktion wie Bernhard Braun und Andreas Hartenfels bemängelten handwerkliche Fehler. Von Braun ist der Satz an Lemke überliefert: "Du bist angeschlagen."
Man nimmt der Ministerin übel, dass der BUND und der Naturschutzbund offenbar zunächst nur unzureichend von ihr eingebunden wurden. Als sich dann auch noch alle zehn anerkannten Naturschutzverbände in Rheinland-Pfalz öffentlich gegen Lemkes Gesetzentwurf wandten, schrillten bei den Grünen die Alarmglocken. Revidiert haben die Verbände ihre ablehnende Haltung seitdem nicht.
In der Fraktion regt sich auch Unmut, weil das Marktgesetz über die begrenzte Wiederzulassung von Flohmärkten an Sonntagen für Verdruss sorgt. Lemke sei mehrfach gefragt worden, ob mit den Gewerkschaften und Kirchen intensiv gesprochen worden sei. Sie habe das bejaht.
Plötzlich flatterten der Fraktion Schreiben des DGB und der evangelischen Kirche auf den Tisch. Sie beklagen, der Schutz der Sonntagsruhe werde unnötig aufgeweicht. Die Ministerin lässt den schon in einer Pressekonferenz vorgestellten Gesetzentwurf noch überarbeiten. Einige grüne Abgeordnete fühlen sich dennoch von ihr getäuscht.
Die mangelhafte Kommunikation Lemkes bekam selbst Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler zu spüren. Von den Schließungsplänen des Mittel- und Osteuropazentrums am Flughafen Hahn erfuhr er nur aus der Zeitung.
"Allzu viel darf sie sich nicht mehr leisten", droht ein Fraktionsmitglied und spricht von einem "Burgfrieden" bis zur Bundestagswahl im September oder bis zur Kommunalwahl 2014.
Der Koalitionspartner hält sich auffallend bedeckt. Niemand will sich äußern. Dass die SPD schon vor längerer Zeit bekundet hat, ihre Aktivitäten zum Thema Wirtschaft zu verstärken und dies auch tut, spricht für sich.
Eveline Lemke ist Widerstände gewohnt. Ihr war klar, dass sie es als Grüne im Wirtschaftsressort nicht leicht haben würde. Die massive Kritik aus den eigenen Reihen dürfte freilich auch sie überraschen. Kommentieren will sie das nicht. Ihre Sprecherin Ruth Boekle lässt ausrichten, Fraktionschef Daniel Köbler sei der richtige Ansprechpartner.
Köbler zeigt sich "verwundert über den Zeitpunkt der Kritik". Über die Vorfälle im Ministerium aufzuklären, sei Sache des Ministeriums, betont er. Dass es "intern immer kontroverse Diskussionen" gebe, sei nichts Neues.
Ein anderer fällt ein vernichtendes Urteil: "Frau Lemke macht sich mehr und mehr zur politischen Witzfigur", sagt FDP-Landeschef Volker Wissing.

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