Fast wie in der ländlichen Großfamilie

Wohngemeinschaften sind eine Lebensform, die man gemeinhin eher dem studentischen Milieu zurechnet. Doch angesichts des Umstands, dass immer mehr Demenzkranke keine Familie haben, gelten betreute Senioren-WGs für diese Gruppe als zukunftsträchtiges Modell. In der Region Trier starten gerade die ersten Versuchsballons.

 Die Bewohner einer Demenz-WG können ihren Tagesablauf und ihre Freizeit eigenständig planen und gestalten. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Bewohner einer Demenz-WG können ihren Tagesablauf und ihre Freizeit eigenständig planen und gestalten. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier/Saarburg/Kleinich. Bis zu 20 000 Demenzkranke wird es in wenigen Jahren in der Region Trier geben. Parallel fordert die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft ihren Tribut: Immer öfter sind Familien übers ganze Land verstreut. Oft führt das zu der problematischen Alternative, betreuungsbedürftige Eltern entweder alleine zu Hause zu lassen oder sie in eine Komplett-Pflege zu geben. "Es fehlt eine Stufe dazwischen", sagt Stefan Kugel vom Demenzzentrum in Trier und verweist auf eine Option, die man gerne ausprobieren würde.

In anderen Regionen haben sich Senioren-WGs als Alternative etabliert. Ihr Prinzip: Mehrere Demenzkranke leben in einer Wohnung — nicht als Heimbewohner, sondern als eigenständige Mieter. Zum Haus gehört Betreuungspersonal als eine Art Dienstleister im Auftrag der Bewohner. Aber Pflegeleistungen werden auch ambulant "zugeliefert". Vermieter und Pflegedienst sind nicht identisch, um eine Grenzlinie zum "Heim" zu ziehen. Das Konzept knüpfe an das "Prinzip der ländlichen Großfamilie" an, heißt es auf der Fach-Internetseite www.demenz-wg.de. Ziel sei eine "möglichst große Normalität", auch durch die Beteiligung der Bewohner an den alltäglichen Abläufen. Im Kreis Trier-Saarburg arbeitet man intensiv an einem ersten Versuch. Eine alte Villa beim Saarburger Krankenhaus soll für eine Senioren-Demenz-WG umgebaut werden. "Wir haben die erforderlichen Anträge in Mainz gestellt", sagt Dieter Ackermann, der das Projekt bei der Kreisverwaltung betreut. Läuft alles gut, könne man im Frühjahr mit den Arbeiten beginnen.

Träger soll das Kreiskrankenhaus werden, für elf Personen ist Platz. Die Zimmer sind auf drei Etagen verteilt, dazu kommt ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche. Ackermann hebt den Modellcharakter hervor: Die Bewohner sollen so eigenständig wie möglich leben, selber kochen oder einkaufen gehen, sich selbst organisieren - so weit es die Krankheit zulässt. "Bis Pflegestufe 2 könnte es gehen", vermutet Dieter Ackermann. Und unterm Strich, räumt er unumwunden ein, "sollte es kostenmäßig günstiger sein als das Heim".

Während öffentliche und gemeinnützige Träger noch planen, hat sich im privatwirtschaftlichen Bereich schon einiges getan. So existiert seit fast vier Jahren im Hunsrück-Ort Oberkleinich eine private Demenz-WG. Betrieben wird sie von der Krankenschwester Eva Hoffmann, sechs Demenzkranke lebendort. Dreischicht-Betreuung, Hauswirtschafterin, Heilerziehungs-Pflegerin: Der Aufwand ist relativ groß. Die Leiterin betont die Selbstständigkeit der Bewohner und den Service-Charakter des Angebots. So entscheiden die Patienten selbst, wann ihr Tag beginnt. Und wenn nachts mal einer für das entscheidende Formel-1-Rennen in Übersee geweckt werden will, gehört auch das zu den Dienstleistungen. Trotzdem tut man sich auf dem Land schwer mit der Akzeptanz. "Für viele hier hat eine Demenz-WG immer noch was Komischens an sich", erzählt Eva Hoffmann.

Auch in Trier ist ein privates Projekt im Aufbau. In Feyen sind gerade die ersten zwei Bewohnerinnen in eine Demenz-WG eingezogen. Initiator war ein gesetzlicher Betreuer, der nach neuen Möglichkeiten für für seine Schützlinge suchte. Mieter sind die Kranken selbst oder ihre Angehörigen. Für die Versorgung ist der private Pflegedienst Herber zuständig. "Wir kümmern uns rund um die Uhr", sagt Inhaberin Heike Herber. Zehn Plätze könnten angeboten werden - anders als bei den meisten Modellen nicht nur für Demenzkranke, sondern auch für andere Senioren.

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