Josef und der Kirchturm

Einladungen zu Preisverleihungen verheißen gewöhnlich vergnügliche Stunden. Man lauscht löblichen Worten und genießt Speis' und Trank.

Daran dürfte auch die Landesvertretung in Berlin gedacht haben, als sie zum Besuch der Ausstellung "Rückblende 2010" am 19 Januar einlud. Gezeigt werden politische Fotografien und Karikaturen. Die Landesvertretung und der Bund Deutscher Zeitungsverleger zeichnen die besten Arbeiten aus. Einer hat sich allerdings so sehr über die Einladung erschrocken, dass er sich genötigt sah, dem Trierer Bischof Stephan Ackermann Anfang der Woche einen Brief zu schreiben. Josef Dötsch, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, bekundet darin äußerstes Missfallen. "Euer Exzellenz" erfährt, die auf der Einladung gedruckte Karikatur erzürne Dötsch, denn sie verletze "zutiefst die religiösen Gefühle der Katholiken". Unter dem Begriff der künstlerischen Freiheit sei vieles zu erdulden, und Politiker seien "schmerzerprobt" - hier sei aber die Grenze des Anstands überschritten worden. Stein des Anstoßes ist ein Gotteshaus mit einem Kirchturm der anderen Art. Zeichner Klaus Stuttmann hat ihn unter Anspielung auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Form eines männlichen Geschlechtsteils dargestellt. Josef Dötsch will die Karikatur zum Thema in der CDU-Fraktion machen. Am Ende des Schreibens an Ackermann nennt er als Anliegen, eine "politische Initiative" gegen die Landesregierung zu starten, und bietet seine Zusammenarbeit an. Wie der Bischof reagieren wird, ist offen. Vermutlich dürfte Stephan Ackermanns erster Blick dem Kalender und speziell dem 27 März gelten. Da wird nämlich in Rheinland-Pfalz gewählt.

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