Mehr Netto vom Brutto längst nicht beschlossene Sache

Berlin · Die schwarz-gelbe Koalition hat den Bürgern versprochen, sie steuerlich zu entlasten. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Opposition kann im Bundesrat das Regierungsvorhaben kippen.

Berlin. Monatelang haben sich Union und FDP gezankt, wie den Steuerzahlern mehr Netto vom Brutto verschafft werden kann. Schließlich regt die angespannte Haushaltslage kaum zu großen Steuerentlastungen an, wie die Liberalen sie gern hätten. Im November 2011 kam es schließlich zu einer Grundsatzeinigung: Unter der Überschrift "Mehr Steuergerechtigkeit" winkt den Bürgern nun eine vergleichsweise magere Ersparnis von gut sechs Milliarden Euro. Die entsprechende Gesetzesvorlage steht heute erstmals im Bundesrat zur Debatte. Sie bildet den Auftakt für einen langwierigen Polit-Poker. Denn die Opposition hat es in der Hand, das Regierungsprojekt zu kippen.

Bestenfalls ein paar Euro mehr


Der Entwurf sieht für die Jahre 2013 und 2014 eine stufenweise Anhebung des Grundfreibetrags um 350 Euro auf 8354 Euro vor. Bis zu diesem Jahresverdienst müssten dann keine Steuern gezahlt werden, denn beim Grundfreibetrag handelt es sich um den Einkommensanteil zur Deckung des Existenzminimums.
Parallel dazu soll der nach dem Grundfreibetrag einsetzende Steuertarif etwas abgeflacht werden. Das politische Schlagwort dafür heißt "kalte Progression". Für den ersten verdienten Euro oberhalb des Grundfreibetrags beginnt die Belastung für Ledige mit 14 Prozent. Bei Verdiensten ab rund 53 000 Euro sind es 42 Prozent. Topverdiener (ab 250 000 Euro) müssen eine "Reichensteuer" von 45 Prozent zahlen. Das Ärgerliche an der "kalten Progression" ist die Tatsache, dass Lohnzuwächse durch den Tarifverlauf zum großen Teil vom Fiskus klassiert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Einkommenserhöhung lediglich der Inflationsrate entspricht. Belastet werden vor allem niedrige Einkünfte, denn am Anfang ist der Tarifanstieg deutlich stärker als im weiteren Verlauf. Viel mehr als ein paar Euro extra im Monat werden die allermeisten Beschäftigten durch die geplante Operation aber nicht in der Tasche haben.
Ob es überhaupt dazu kommt, ist von SPD, Grünen und Linken abhängig. Die schwarz-gelben Landesregierungen bringen im Bundesrat nämlich nur noch 25 Stimmen auf die Waage. Für eine Mehrheit werden aber mindestens 35 gebraucht. Die Sozialdemokraten haben schon wissen lassen, wie sie zustande kommen könnte: "Wenn die Bundesregierung die unteren Einkommen entlasten will, müsste der Spitzensteuersatz als Ausgleich angehoben werden", sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Erkennbare Kompromisslinie


Dazu passt auch ein Antrag von vier SPD-regierten Bundesländern, der heute ebenfalls auf der Tagesordnung des Bundesrates steht. Demnach soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent steigen. In der Union gibt es für eine derartige Kompromisslinie durchaus Sympathie: Der Haushaltsexperte Norbert Barthle (CDU) sagte dem TV, er halte es "nicht für ausgeschlossen", eine Steuermehrbelastung für Spitzenverdiener mitzuverhandeln. Dem Vernehmen nach wird in der Union erwogen, die "Reichensteuer" in den progressiven Tarifverlauf zu integrieren. So läge der Spitzensteuersatz nicht mehr bei 42, sondern bei 45 Prozent.
Nach der heutigen Debatte im Bundesrat geht der Gesetzentwurf erst einmal in den Bundestag. Frühestes Ende März dürfte es dann zur Anrufung des Vermittlungsausschusses kommen. Damit die Vorlage wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten kann, müsste sie bis Ende September politisch unter Dach und Fach sein.

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