Startschuss für Rot-Grün im Land

Mainz · In der Landespolitik wird heute eine neue Ära eingeläutet. Erstmals in der Geschichte von Rheinland-Pfalz übernimmt eine rot-grüne Landesregierung die Amtsgeschäfte.

Rund sieben Wochen nach der Landtagswahl bekommt Rheinland-Pfalz heute eine neue Landesregierung. In Mainz konstituiert sich der Landtag und wählt anschließend den Ministerpräsidenten. Im 101-köpfigen Parlament stellt die SPD 42 Abgeordnete, die Grünen ziehen mit 18 Abgeordneten ein.

Die Wahl von Kurt Beck zum Regierungschef gilt daher als sicher.Der Pfälzer ernennt nach seiner Wahl die acht Minister. Fünf Ressorts besetzt die SPD, drei bekommen die Grünen. Nach der Kabinettsbildung kann die Arbeit in der 16. Legislaturperiode beginnen. Nach jahrzehntelanger CDU-Herrschaft mit bekannten Ministerpräsidenten wie Helmut Kohl, Bernhard Vogel und dem Trierer Carl-Ludwig Wagner wird der Machtwechsel im Land, der 1991 erfolgte, zementiert.

Rudolf Scharping eroberte damals die Staatskanzlei für die Sozialdemokraten, 1994 beerbte ihn Kurt Beck. Bis 2006 koalierte die SPD mit den Liberalen, dann gewann sie die absolute Mehrheit und regierte in den vergangenen fünf Jahren allein.Nun kehren die Grünen nicht nur triumphal in den Landtag zurück, sondern übernehmen direkt erstmals Regierungsverantwortung. Gemeinsam mit der SPD wird das sozial-ökologische Projekt gestartet, dessen primäres Ziel eine Energiewende im Land mit einer Deckung des Strombedarfs zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien bis 2030, möglichst früher, ist.

Die Region Trier ist an den Schalthebeln der Macht so stark vertreten wie nie zuvor. "Frauenpower" heißt die Devise. Erstmals vertreten zwei Ministerinnen die Interessen der Menschen von Eifel, Mosel und Hunsrück: Die Triererin Malu Dreyer (SPD) kümmert sich weiterhin um Arbeit, Soziales und Gesundheit, Ulrike Höfken (Grüne) aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm übernimmt die Verantwortung für Umwelt, Landwirte und Winzer.In den beiden Regierungsfraktionen haben ferner Astrid Schmitt aus Daun (SPD) und Jutta Blatzheim-Roegler aus Bernkastel-Kues (Grüne) als Fraktionsvize starke Stellungen.Einzige Oppositionspartei ist nach dem Ausscheiden der FDP die CDU, die nur einen Sitz weniger hat als die SPD. Für die Region Trier kämpft der Moselaner Alexander Licht (Brauneberg) als stellvertretender Fraktionschef.

Ministerpräsident Kurt Beck (SPD)

Kurt Beck ist der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland. Der 62- Jährige, verheiratet, ein Sohn, regiert in Rheinland-Pfalz seit 1994 ununterbrochen. Zunächst in einem Bündnis mit der FDP, dann fünf Jahre mit absoluter Mehrheit für die SPD, künftig mit den Grünen. Beck gilt als bodenständiger, pragmatischer Politiker, der auf die Menschen zugeht und ihnen zuhört. Er hat angekündigt, dass es seine letzte Amtszeit wird.

Extra: Die Zuständigkeiten der Landespolitik


Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten: Ulrike Höfken (Bündnis90/Die Grünen)

Ulrike Höfken übernimmt nach 17 Jahren als Bundestagsabgeordnete das Umweltressort. Die 56-Jährige, verheiratet, drei Töchter, wohnt in Ingendorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Die Diplom-Agraringenieurin war in Berlin zuletzt stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Sie war früher bei der Landwirtschaftskammer Rheinland und im Europaparlament tätig.

Umwelt: Die neue Ministerin Ulrike Höfken will erreichen, dass die Belange des Naturschutzes künftig auf der ganzen Fläche berücksichtigt werden. Dem Artenrückgang und der Bedrohung von Lebensräumen soll entgegengewirkt werden. Der Staatswald soll nicht privatisiert, sondern weiter öffentlich bewirtschaftet werden. Das Hochwasserschutzkonzept wird fortgeführt.

Weinbau: Auch dieser Bereich fällt unter die Verantwortung von Ministerin Ulrike Höfken. "Klasse statt Masse" lautet das Motto, man will sich also für niedrigere, aber qualitativ bessere Erträge einsetzen. Je enger die geografische Bezeichnung eines Anbaugebietes ist, umso höher sollen die Qualitätsansprüche sein. Besonderen Stellenwert genießen regionaltypische Rebsorten. Das bewährte Fördersystem für Steilund Steilstlagen wird beibehalten.

Landwirtschaft: Das umweltbewusste Bewirtschaften landwirtschaftlicher Flächen will die neue Ministerin Ulrike Höfken stärken. Einen besonderen Stellenwert genießen künftig der ökologische Landbau und die tiergerechte Haltung, für die erhöhte Zuschüsse gewährt werden sollen. Erfolgreiche Regionalmarken sollen mit Initiativen dauerhaft etabliert werden. Der Erhalt der Kulturlandschaften und die Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel werden in den Vordergrund gerückt.

Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung: Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen)

Eveline Lemke wird erste grüne Wirtschaftsministerin in einem deutschen Bundesland. Die 46-Jährige ist mit einem Sozialdemokraten verheiratet, lebt in Sinzig und hat vier Kinder. Sie hat den Landesverband ihrer Partei auf Vordermann gebracht, sie wieder in den Landtag geführt und maßgeblich das rot-grüne Bündnis mitgeschmiedet. Die Unternehmensberaterin gilt als Fachfrau für Wirtschaft, Finanzen und Umwelt.

Gewerbe: Für die Kontakte zur Wirtschaft, also zu den Unternehmen, Kammern, Verbänden und Gewerkschaften, und damit auch für Gewerbeansiedlungen ist Wirtschaftsministerin Eveline Lemke zuständig. Auch die Staatskanzlei will ein Wörtchen mitreden.

Tourismus/Naherholung: Dieser Bereich verbleibt im Wirtschaftsministerium und wird von der Grünen Eveline Lemke verantwortet. Die Tourismusstrategie 2015 soll mit den bisherigen Partnern (Regionalinitiativen und Kommunen) weiterentwickelt werden. Barrierefreiheit und Stärkung des "sanften" Tourismus spielen eine Rolle. Die touristischen Angebote sollen besser vernetzt werden, ferner wird dem Bahnverkehr ein größerer Stellenwert eingeräumt.

Inneres, Sport und Infrastruktur: Roger Lewentz (SPD)

Roger Lewentz, 47, verheiratet, vier Kinder, übernimmt nach fünf Jahren als Staatssekretär die Leitung des Innenministeriums. Der Bereich Infrastruktur kommt neu hinzu. Lewentz ist ein intimer Kenner der Landespolitik, war von 1994 bis 2006 Abgeordneter und Fraktionsvize. In der SPD wird der ehemalige Landesgeschäftsführer und Generalsekretär hoch geschätzt. Er gilt als einer der Kronprinzen von Kurt Beck.

Verkehr: Dieser Bereich ist unter dem Begriff Infrastruktur dem Innenministerium von Roger Lewentz zugeordnet. Grundsätzlich ist bereits entschieden, dass keine neuen Straßen mehr gebaut, sondern die Mittel für den Erhalt der vorhandenen Straßen investiert werden sollen. Mehr Geld gibt es künftig für Busse, Bahnen und neue Radwege.

Sportstätten: Welche Zuschüsse gibt es für neue Rasen- oder Kunstrasenplätze? In solchen Fragen müssen sich Sportvereine und Kommunen auch weiterhin ans Innenministerium richten, dem der Sportbereich zugeordnet ist. Im rotgrünen Koalitionsvertrag hat der Sport keine Berücksichtigung gefunden, er fällt damit unter "Regierungshandeln". Grundsätzlich zeichnen sich zunächst keine Änderungen der bisherigen Verfahren ab.

Finanzen: Carsten Kühl (SPD)

Carsten Kühl ist im Juli 2009 als Nachfolger von Ingolf Deubel Finanzminister geworden und behält dieses Ressort. Von 1993 bis 2003 war der 49-Jährige, der einen Sohn hat, in verschiedenen Positionen im Bildungsministerium aktiv, wurde dann Amtschef in der Berliner Landesvertretung und 2006 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Der promovierte Volkswirt ist ein ausgewiesener Finanzexperte.

Justiz und Verbraucherschutz: Jochen Hartloff (SPD)

Jochen Hartloff gibt nach fünf Jahren nicht ganz freiwillig des SPD-Fraktionschefs ab und wird erstmals Minister. Er übernimmt das als schwierig geltende Justizressort. Der Verbraucherschutz kommt hinzu. Der 56-Jährige stammt aus dem Landkreis Kusel (Rheinhessen-Pfalz), er hat zwei Kinder. Dem Landtag gehört der Jurist seit 1996 an. Vorher war er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion.

Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie: Malu Dreyer (SPD)

Malu Dreyer, Trierer SPD-Vorsitzende, ist seit 2002 Ministerin in Mainz. Die 50-Jährige gibt die Bereiche Familie und Frauen ab, bekommt aber das wichtige Zukunftsfeld Demografie hinzu. Die beliebte Volljuristin ist mit dem Trierer OB Klaus Jensen verheiratet und eine Expertin in den Bereichen Arbeit, Soziales und Gesundheit. Kenntnisse aus ihrer früheren Tätigkeit als Sozialdezernentin der Stadt Mainz nutzen ihr dabei.

Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen: Irene Alt (Bündnis90/ Die Grünen)

Irene Alt wird erstmals Ministerin. Die 53-Jährige, verheiratet, zwei Töchter, war seit 2005 hauptamtliche Beigeordnete des Kreises Mainz-Bingen und kümmerte sich da bereits um die Migrationspolitik sowie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Kenntnisse kann die gelernte Erzieherin und ehemalige Leiterin einer Kindertagesstätte nun im neu geschaffenen Integrationsministerium einbringen.

Kinder und Jugendliche: Das neue Integrationsministerium von Ministerin Irene Alt ist auch für die Bereiche Kinder und Jugendliche zuständig. Beschlossen ist bereits ein Programm Kita+ zur Unterstützung wertvoller pädagogischer Konzepte vor allem in sozialen Brennpunkten, für das zwei Millionen Euro bereitgestellt werden. Kindertagesstätten sollen zu Familienzentren werden. Generell sollen mehr Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden. Für alle Schulen ist weiter das Bildungsministerium zuständig.

Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur: Doris Ahnen (SPD)

Seit zehn Jahren ist Doris Ahnen Bildungsministerin, nun kommt eine weitere Amtszeit hinzu. Die 46-Jährige, in Trier geboren und verheiratet, ist seit 1991 im Bildungsbereich unterwegs. Damals wurde sie Leiterin des Ministerbüros, später Staatssekretärin. Den Bereich Jugend gibt die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende ab. Neben Roger Lewentz und Hendrik Hering gilt Ahnen als eine mögliche Beck-Nachfolgerin.

Staatskanzlei: Martin Stadelmaier (SPD)

Martin Stadelmaier gilt als rechte Hand des Ministerpräsidenten. Der 52-Jährige ist verheiratet und hat einen Sohn. In der Staatskanzlei laufen alle wichtigen Fäden der Regierungsarbeit zusammen. Als deren Leiter zieht Stadelmaier seit 2003 im Rang eines Staatssekretärs die Strippen. Inhaltlich ist der gebürtige Bonner ein versierter Medienexperte und koordiniert die Medienpolitik der Bundesländer.

Bevollmächtigte des Landes beim Bund und der EU: Margit Conrad (SPD)

Nach zehn Jahren als Umweltministerin wechselt Margit Conrad vom Rhein an die Spree und leitet dort künftig die Landesvertretung. Die 58- Jährige, verheiratet, ein Kind, vertritt in Berlin und Brüssel die Interessen des Landes. Die Ärztin war schon einmal als Bundestagsabgeordnete in der Hauptstadt, später wurde sie Bürgermeisterin von Saarbrücken. Sie ist Expertin in Sachen Umwelt, Energie, Klima- und Verbraucherschutz.

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