Ein Vermächtnis an Zewen

ZEWEN. Mit jedem Menschen, der sterbe, gehe auch ein Großteil von Geschichte, Erinnerungen und Wissen verloren, findet Reinhold Zimmer. Um diesen Verlusten entgegen zu wirken, hat sich der 69-Jährige entschlossen, in einem Buch die Erinnerungen der Zewener und deren Sprache zu archivieren.

"Den Gedanken daran hatte ich schon immer", sagt Reinhold Zimmer. Anfang dieses Jahres habe ein Gespräch mit einem Bekannten dann den Ausschlag gegeben. "Wenn es kein anderer macht, dann mache es doch selbst", habe sein Freund ihn aufgefordert, unter die Buchautoren zu gehen. Lange sei er mit der Idee schwanger gegangen und habe sich schließlich an die Arbeit gemacht. "Damit habe ich eine große Lawine losgetreten", sagt der pensionierte Grund- und Hauptschullehrer. Denn um an genügend Material für sein Werk aus den Reihen der Zewener Bürger zu kommen, entwarf er einen Fragebogen, der bald überquoll. Die Kunde von seinem Vorhaben verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Ort. Hunderte alte Wendungen im Zewener Platt und deren Bedeutungen hat Zimmer so zusammengetragen. Andere Zewener schrieben Gedichte, Geschichten aus dem Dorfleben oder andere Anekdoten gesellschaftlicher Geschehnisse auf. Auch Exil-Zewener schickten seitenlange Briefe mit ihren persönlichen Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit. Zimmer selbst schrieb Geschichten und ein Gedicht mit persönlichem Inhalt. Neben dem alphabetischen Wörterbuch, den Gedichten, Geschichten und einer Reihe über Zewener Flur- oder Straßennamen will Zimmer auch Kinderlieder auf Platt, Redensarten und dazugehörige Illustrationen in sein Buch aufnehmen. Doch nicht nach der bloßen Konservierung von Vergangenheit steht Zimmer der Sinn. "Das Kulturgut und unsere Heimat und Umgebung zu entdecken und an einem Beispiel lebendig werden zu lassen, ist mein Bestreben." Tiefes Bedürfnis sei es ihm außerdem, "Mundart zu sprechen" und junge Leute dafür zu begeistern und sie dazu zu bringen, nachzufragen. Um eben dies zu erreichen, schmiedet Zimmer weitere Pläne. Die Mundart der Zewener als ein Stück eigener Identität wieder populärer zu machen - das schwebt dem Buchautor vor. Einen Mundart-Stammtisch möchte er veranstalten. "Das ist mit Sicherheit eine Bereicherung", sagt Zimmer. Seine eigene Beziehung zu Zewen habe sich durch seine Arbeit noch vertieft. In Zewen geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und in vielen Vereinen aktiv, lebt Zimmer auch heute noch in seinem Elternhaus inmitten des dörflichen Ortskerns - und das gerne "und mit großem Wohlfühlfaktor". Natürlich kenne er die Zewener in- und auswändig. "Aber viele Wörter lerne ich wieder neu kennen, ich bin auf viele Erinnerungen gestoßen und habe viele Gespräche geführt", beschreibt er die sprachlichen wie menschlichen Gewinne, die er bisher gemacht hat. "Das Buch wird mich eine Menge Geld kosten, aber das ist mir egal. Es ist mein Vermächtnis an Zewen." Als Chronist des Dorfes will sich Reinhold Zimmer allerdings nicht sehen. Soll es doch in seinem Werk bei aller korrekten Wiedergabe historischer Bezüge "auch viel zum Schmunzeln geben".

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