Eine Brücke in die Freiheit

Trier · Die Band Tuba Diesel gibt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Trier für die Gefangenen ein Konzert. Und das unterscheidet sich von anderen Auftritten.

 Normalerweise tobt bei Auftritten von Tuba Diesel die Menge vor der Bühne. Doch die JVA-Insassen, die wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht im Foto zeigen, müssen auf ihren Plätzen sitzen bleiben. TV-Foto: Karin Pütz

Normalerweise tobt bei Auftritten von Tuba Diesel die Menge vor der Bühne. Doch die JVA-Insassen, die wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht im Foto zeigen, müssen auf ihren Plätzen sitzen bleiben. TV-Foto: Karin Pütz

Foto: Karin Pütz (kap) ("TV-Upload P?tz"

Trier Normalerweise tobt bei Konzerten der Band Tuba Diesel eine tanzende und feiernde Menge vor der Bühne, während die vier Musiker mit viel Energie ihren Mix aus Reggae, Polka, Rock und Ska spielen. Und normalerweise bekommen die Gefangenen der JVA Trier ein Konzert höchstens im Fernseher in ihren Zellen zu sehen. An diesem Abend ist alles anders: Sabine Beckmann, Leiterin der JVA Trier, hat zusammen mit Jens Cullmann, Leiter der dortigen Personalverwaltung, den Auftritt einer Band organisiert. "Das ist das erste Mal seit vielen Jahren", betont Beckmann. Personalsituation, Organisationsaufwand und Kosten sind Faktoren, die eine große Rolle bei der Entscheidung spielen.
Die Musiker Andreas Diewald, Markus Schu, Lucas Dühr und Markus Hoffmann wissen, was in der JVA auf sie zukommt: Ihr Publikum besteht heute aus Untersuchungshäftlingen sowie verurteilten Strafgefangenen mit einem Strafmaß bis zu zwei Jahren. Die Teilnahme ist freiwillig und setzt gute Führung voraus.
46 Männer in roter Anstaltskleidung betreten unter den Augen der Justizvollzugsbeamten den Kinosaal der Anstalt. Diszipliniert und ruhig nehmen die Gefangenen ihre Plätze ein, von denen sie sich während des etwa 80-minütigen Konzerts nicht erheben dürfen. Der Raum bleibt hell erleuchtet, zwischen Bühne und der ersten Stuhlreihe sind es etwa fünf Meter - erschwerte Bedingungen für eine Musikgruppe, die mit tanzbaren Polka-Rhythmen auf "normalen" Konzerten ihr Publikum unter Zuhilfenahme von Akkordeon, Tuba, Schlagzeug und E-Gitarre mächtig ins Schwitzen bringt. Aber dieser Auftritt ist eben nicht normal.
Die Option, Straftäter zu unterhalten, beschäftigte die vier Musiker durchaus, als die Anfrage von der JVA kam. "Ich kann das ausblenden", sagt Sänger Andreas Diewald, und Markus Schu fügt hinzu: "Unsere Motivation war die Neugier." Gemeint ist die Neugier darauf, wie es in einem Gefängnis von innen aussieht - und wie sich dieser Auftritt von anderen unterscheidet.
Jens Cullmann erklärt als Mitarbeiter der JVA, was der Zweck des Events ist: "Die Grundstimmung hier ist deprimierend. Die Leute werden aus ihren Familien gerissen, die Zukunft ist ungewiss, und die Freizeitmöglichkeiten hier drin sind sehr begrenzt. Die Lebensfreude der Band steckt an, und in den nächsten Tagen werden wir spüren, dass die Stimmung gelöster sein wird. Diese kurzzeitige Zerstreuung vom Haftalltag ist wie eine kleine Brücke in die Freiheit." Als die Band das Konzert beginnt, sitzen die Männer regungslos auf ihren Stühlen. Doch schon nach dem zweiten Lied wippen sie mit und signalisieren mit Pfiffen und Klatschen, dass ihnen das Konzert gefällt. Irgendwann wird mitgesungen, und ein Außenstehender würde lediglich an der Anstaltskleidung merken, dass man sich in einem Gefängnis befindet.
Am Ende wird lautstark "Zugabe" gefordert, und die Jungs von Tuba Diesel liefern. Nach dem Konzert heißt es für die Band: zurück in die Freiheit, während ihr Publikum wieder in die Zellen gesperrt wird.

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