Gericht „Falscher Polizist“ muss für drei Jahre ins Gefängnis

Trier · Eine 87-Jährige aus Trier wurde um 50 000 Euro betrogen. Eine Bewährungsstrafe für den 22-jährigen Täter hält das Gericht für nicht vertretbar.

„Falscher Polizist“ muss für drei Jahre ins Gefängnis
Foto: dpa/Volker Hartmann

Das Urteil des Jugendschöffengerichts Trier ist deutlich. „Drei Jahre Freiheitsstrafe“, verkündet die Vorsitzende Richterin Marion Patzak nach vier Verhandlungsstunden.

Der Fall:  Am Abend des 10. Juni 2020 übergibt eine 87-jährige Bewohnerin der Trierer Seniorenresidenz „St. Elisabeth“ eine Tüte mit 50 000 Euro an einen jungen Mann, den sie zu dem Zeitpunkt für einen Beamten der Trierer Polizei hält. Das Geld, das für eine Herzoperation bestimmt war, hatte sie zuvor aus ihrem Bankschließfach entnommen. Der „Polizist“ habe ausländisch ausgesehen und Mehmet als Namen angegeben, wird sie später vor der echten Polizei aussagen.

Nun sitzt der falsche Polizist als  Angeklagter vor dem Jugendschöffengericht. Und dass er da sitzt, verdankt er insbesondere aufmerksamen Zuschauern der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“, wo er  einen (Film-)Auftritt bekam. Eine am Eingang des Hauses installierte Überwachungskamera hatte festgehalten, wie er zunächst mit einer auffälligen Jacke bekleidet die Klingeln studierte, eine telefonische Anweisung bekam und die Bewohnerin ihm aufdrückte. „Danach kamen massenhaft Hinweise und sogar Fotos. Der Angeklagte lebt im kleinen Überlingen am Bodensee, dort kennt jeder jeden“, sagt ein Beamter der Kripo Trier.

Die Frau war Opfer einer in der Türkei agierenden, professionellen Betrügerbande geworden. Die sitzen dort in Callcentern und durchforsten  deutsche Telefonadressen  nach „alt“ klingenden Vornamen. Treffen sie bei ihren Anrufen auf gebrechlich wirkende Senioren, sind sie am Ziel. Die Täter geben sich als deutsche Polizei aus und versetzen ihre Opfer mit Horrormeldungen über gefährliche Einbrecherbanden in Panik. „Wir haben ihren Namen auf einer sichergestellten Liste von denen gefunden. Sammeln sie Geld und ihre Wertgegenstände zusammen und übergeben sie alles zur Sicherung unserem Beamten, der gleich vorbeikommt!“

Der heute über 22-jährige Angeklagte ist kurdischer Abstammung, spricht perfekt Deutsch, hat die mittlere Reife und war bis zu seiner Inhaftierung am 18. März in erfolgreicher Ausbildung zum Fachlageristen bei einer Überlinger Firma.

Zum Prozess sind seine Mutter und einige von acht Geschwistern erschienen.  Staatsanwalt Julian Baumgarten wirft ihm vor, als Mitglied einer Bande die 87-Jährige um 50 000 Euro betrogen zu haben. Die Geschädigte selbst werde, so die Vorsitzende Richterin,  aus Gesundheitsgründen der Verhandlung fern bleiben.

Dann verliest Verteidiger Michael Angele eine Einlassung seines  Mandanten, der erklärt, dass er keiner Bande angehöre. Er habe nur telefonisch das Angebot erhalten, für 2000 Euro Honorar in Trier einen Umschlag abzuholen und nach Stuttgart zu bringen. Über den Inhalt sei nichts gesagt worden, er habe eher an Rauschgift gedacht. Das Geld habe er benötigt, um sich aus einer Rockerbande freizukaufen. Über die Hinterleute sagt er nichts. Bei seiner ersten Vernehmung nach der Festnahme habe er behauptet, die Leute säßen schon alle in Haft.

Drei Polizeizeugen berichten von ihren bedrückenden Besuchen beim Opfer. Die Frau habe sich Selbstvorwürfe gemacht, dass sie auf das Anrufbombardement des „Polizeikommissars König“ hereingefallen sei.

Dann hat Ilona Mentges von der Jugendprozesshilfe das Wort. Sie geht davon aus, dass der Angeklagte, der noch bei den Eltern wohnt, zur Tatzeit keine Erwachsenenreife erreicht hatte und nach milderem Jugendrecht zu verurteilen ist. Staatsanwalt Baumgarten widerlegt dies auch mit dem Hinweis, dass gerade zu jener Zeit beim Angeklagten eine erfolgreiche berufliche Entwicklung eingesetzt habe – „bei dem hatte es Klick gemacht“. Demgegenüber stehe die schwere Schuld als Mittäter am seelischen und materiellen Schaden des Opfers. Sein Antrag: drei Jahre Haft nach Erwachsenenstrafrecht.

Die Verteidiger Angele und Sven Collet verweisen auf die Expertise der Jugendprozesshelferin, wonach ihr Mandant ein Spätentwickler sei. Ihr Antrag: Wegen Beihilfe ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung.

Das Gericht sieht es anders – entscheidet deckungsgleich mit dem Antrag der Anklage. Vorsitzende Patzak: „Eine Bewährungsstrafe ist unter diesen Umständen nicht vertretbar, das hätte die Öffentlichkeit nicht verstanden.“

Die Mutter im Zuschauerraum weint, der Angeklagte zeigt keine Regung. Erst in seinem letzten Wort hatte er sich beim abwesenden Opfer entschuldigt. Die Verteidiger kündigen auf TV-Anfrage Berufung an.

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