Kurt Beck soll an die grüne Leine

Wahlkampf-Höhepunkt bei den Trierer Grünen: Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin sorgte für einen überfüllten Saal im Casino am Kornmarkt. Die anstehende Landtagswahl spielte bei seinem Auftritt freilich keine große Rolle.

 Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, auf Tuchfühlung mit dem Publikum kurz vor seiner Wahlkampfrede im Casino am Kornmarkt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, auf Tuchfühlung mit dem Publikum kurz vor seiner Wahlkampfrede im Casino am Kornmarkt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. 250 Neugierige, darunter erstaunlich viele junge Gesichter, drängten sich in dem Raum, dem eine offensivere Klimapolitik nicht geschadet hätte. Das überbordende Interesse lag nicht nur am prominenten Referenten. "Warum haben die keinen größeren Raum ausgesucht?", fragte ein grüner Altvorderer, der sich mit einem Stehplatz am Eingang bescheiden musste. "Die konnten doch nicht ahnen, das es einen Gau gibt", antwortete ein schlagfertiger Leidensgenosse.

Die Aktualität diktierte Jürgen Trittin denn auch das Thema für seine einstündige Rede. Dem Polit-Profi war klar, was er der emotionalen Befindlichkeit seiner Wähler-Basis schuldet: Zunächst bekannte er, angesichts der Ereignisse in Japan sei ihm "überhaupt nicht nach Polemik und Wahlkampf". Um dann 60 Minuten lang ein mit Polemik gespicktes rhetorisches Feuerwerk ins begeisterte Publikum zu schießen. Angela Merkel mit ihrer "Betroffenheits-Inszenierung", die CDU-Ministerpräsidenten, denen "die Panik im Gesicht steht, aber nicht wegen des Supergaus in Japan, sondern wegen der Landtagswahlen", Röttgen, Guttenberg, Westerwelle: Fast kabarettreif goss Trittin Hohn und Spott über den politischen Gegner aus.

Doch der ehemalige Minister für Reaktorsicherheit hatte auf seinem Fachgebiet auch inhaltlich einiges zu bieten. Zum Beispiel, dass das Risiko einer Kernschmelze bereits bei diversen Störfällen in Europa, ja sogar in Deutschland bestanden habe. Und dass es bis dato weltweit kein Atomkraftwerk gebe, dass in einem solchen Fall garantieren könne, dass keine Radioaktivität austrete.

Scharf seine Kritik an der schwarz-gelben Koalition: Die habe mit der Laufzeit-Verlängerung vor wenigen Monaten "die Sicherheitsstandards nicht erhöht, sondern gesenkt". Nun sei es "völlig unglaubwürdig", die Sicherheit plötzlich als absolute Priorität zu definieren.

Das nun ausgesprochene Moratorium bezeichnete Trittin als "Nebelgranate". Es gehe nicht um neue Überprüfungen, sondern "um die Richtungsentscheidung für erneuerbare Energien oder für Atom- und Kohlekraftwerke". Der Unterschied zwischen 15 Prozent Windkraft-Anteil in Sachsen-Anhalt und einem Prozent in Baden-Württemberg zeige, wie viel politischen Spielraum es gebe. Eine Energielücke fürchte er nicht: "Sieben Atomkraftwerke in Deutschland arbeiten nur für den Export."

Der Grünen-Fraktionschef rief seine Partei aber auch auf, die Diskussion um die Folgen der Förderung regenerativer Energien nicht zu scheuen. Wohlwissend, dass bei Biogasanlagen, Überland-Stromleitungen, Windrädern, Sonnenkollektoren-Parks oder Energiesparlampen gerade die grüne Klientel oft zu den Bremsern und Protestlern gehört.

Am Ende gab's denn doch noch einen Schlenker zu den Landtagswahlen, in typischer Trittin-Manier: Es werde "höchste Zeit, dass Kurt Beck in seiner Selbstherrlichkeit an die grüne Leine gelegt wird".

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