Schüler, Schüler, du musst wandern

Trier · Keine Neu- oder Anbauten an den Grundschulen Tarforst und Feyen, stattdessen eine Umlenkung der Schülerströme durch Neuzuschnitt der Schulbezirke: Das ist die Linie, die der Stadtvorstand einschlägt. Vor allem in Tarforst dürften die Pläne für erheblichen Ärger sorgen.

 Wohin mit welchem Schüler? Die Trierer Schulbezirke könnten neu zugeschnitten werden. TV-Foto: Friedemann Vetter

Wohin mit welchem Schüler? Die Trierer Schulbezirke könnten neu zugeschnitten werden. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Noch im Juni schien die Sache klar: Der Stadtrat beschloss mit breiter Mehrheit, die Schulbezirksgrenzen "wohnortnah" und "unter Berücksichtigung des Elternwillens" entlang der Devise "Kurze Beine, kurze Wege" zu gestalten. Damit schien die Frage nach einem Ausbau der Grundschulen Tarforst und Feyen positiv entschieden - denn ohne Erweiterung können sie den aktuellen Bedarf in den jeweiligen Stadtteilen nicht decken. Vor allem die für je zwei Parallelklassen ausgelegte Schule in Tarforst platzt nach der Aufnahme von drei neuen ersten Klassen in diesem Jahr bald aus allen Nähten.Doch der Stadtratsbeschluss sei "kein Präjudiz für eine konkrete Bauentscheidung", hat nun der Stadtvorstand befunden. "Nach kontroverser Diskussion", wie es auf TV-Anfrage heißt. Was darauf hindeutet, dass CDU-Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani der Mehrheitslinie nicht gefolgt ist. Stadtvorstand will Dialog suchen

Schuldezernentin Angelika Birk und OB Klaus Jensen geben diese Linie vor: Es gelte, "bauliche Erweiterungen derzeit zu vermeiden" und "die Schülerschaft auf benachbarte Schulen mit freien Kapazitäten umzulenken". Letzteres solle "im Dialog mit Schulträgerausschuss, Schulleitungen, Ortsbeiräten und Elterschaft schon zum kommenden Schuljahr verwirklicht werden".Dieser Weg dürfte vor allem in Tarforst als Kriegserklärung verstanden werden. Dort wachsen durch die Neubaugebiete die Schülerzahlen deutlich an. Wird die gerade eröffnete Schule nicht ausgebaut, müsste ein beachtlicher Teil der Schüler längere Wege oder einen Bustransport in einen anderen Stadtteil in Kauf nehmen. Auf Unterstützung dürfen Jensen und Birk dagegen in Olewig oder Trier-Süd hoffen, wo Grundschulen mit wenig Schülern durch Zuweisungen ihre Situation stabilisieren könnten.Die Möglichkeit, Schülerströme zu lenken, böte ein Neuzuschnitt der Grundschulbezirke - weil sie grundsätzlich für Eltern verbindlich sind. Bestimmte Quartiere würden dann einem anderen Bezirk zugeschlagen, die Schüler müssten automatisch dort angemeldet werden. Ob dafür im Stadtrat eine Mehrheit zu holen ist, ist freilich fraglich. Die CDU macht bereits mächtig für einen Anbau mobil, bei der FDP hatte Fraktionschef Karl-Josef Gilles schon im letzten Jahr heftig gegen die Neuzuschnitt-Überlegungen protestiert. Zünglein an der Waage könnte die FWG werden.Die Schuldezernentin hat aber schon eine Verteidigungslinie aufgebaut: In den nächsten Jahren wolle man die Anbau-Frage im Licht der Entwicklung der Neubaugebiete noch einmal diskutieren. Zum jetzigen Zeitpunkt aber gebe es "keine Grundlage für die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), baulichen Erweiterungen an den Grundschulstandorten Tarforst und Feyen zuzustimmen". So landet der Schwarze Peter zumindest teilweise bei der Aufsichtsbehörde des Landes. Die ADD hätte es aber auch in der Hand, den Tarforstern den Verzicht auf den Ausbau mit einem Bonbon zu versüßen: Sie könnte die Grundschule, anders als bisher, zur offiziellen Ganztagsschule hochstufen - was nur den Schülern zugutekäme, die dort einen Platz finden. Wenn der Anbau nicht genehmigt wird und veränderte Schulbezirke politisch nicht durchsetzbar sind, entsteht eine Blockadesituation. Dann droht sogar die Aufstellung von Not-Containern, während ein paar Kilometer weiter Schulräume leerstehen. Aber auch Container, darauf pflegt die Dezernentin gerne hinzuweisen, kosten Geld - das die Stadt nicht hat. Meinung

Politik statt PopulismusNun zahlen alle die Zeche für den jahrelangen Verschiebebahnhof in der Trierer Schulpolitik: die Tarforster Schüler, deren Eltern die Stadt mehr versprochen hat, als sie halten kann. Der Stadtvorstand, der den Kopf für Versäumnisse früherer Jahre hinhalten muss. Und der Stadtrat, der sich in eine Situation hineinmanövriert hat, aus der es keinen sauberen Ausweg mehr gibt. Das werden wir in nächster Zeit noch oft erleben, denn angesichts des immer desolateren Haushalts rächt sich nun, dass der Rat konsequent verweigert hat, sich bei unangenehmen Alternativen für irgendetwas zu entscheiden. Zum Beispiel bei der Grundschulstruktur. Entweder man will den Erhalt möglichst aller Schulen. Das kostet Geld. Dann ist die zwingende Logik, dass man die Schüler so verteilt, dass nicht manche Schulen ausbluten und andere überquellen. Auch wenn das schon mal längere Schulwege bedeutet - wie sie in den umliegenden Kreisen übrigens absolut selbstverständlich sind. Oder aber man baut Schulen schwerpunktmäßig da auf, wo die meisten Schüler zu erwarten sind. Dann kann man dort investieren. Auch dafür braucht man Geld. Aber das bedeutet eben auch die Schließung von Schulen, in denen die Schülerzahlen dauerhaft schrumpfen. In Trier hat man aber fröhlich beschlossen, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Nun ist es schon ein Kunststück, einen Euro, den man nicht hat, einmal auszugeben. Aber zweimal? Das ist Gaukelei. Der Stadtvorstand hat einen gangbaren Weg vorgeschlagen. Der Rat muss ihn nicht mitgehen. Er kann auch beschließen, stark nachgefragte Schulen weiter auszubauen. Aber dann muss er auch sagen, welche Schulen er zu schließen gedenkt. Einfach das Fähnchen "Kurze Beine, kurze Wege" aufzuziehen und sich dahinter zu verschanzen, ist nicht Politik, sondern Populismus pur. d.lintz@volksfreund.de

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