Streit um die Schmuddelliste

Trier · Die Trierer Schmuddelliste hat ein schnelles Ende gefunden - zumindest vorerst. Bis die Rechtslage geklärt ist, will die Stadt keine Lebensmittelbetriebe, die bei Hygienekontrollen durchfallen, mehr im Internet veröffentlichen.

Trier. Bäcker, Supermärkte, Restaurants und Imbisse, bei denen erhebliche Hygienemängel festgestellt werden, müssen im Internet veröffentlicht werden. Das schreibt eine Neuerung des Lebensmittelschutzgesetzes den Städten und Landkreisen so vor. Wie das Gesetz im Einzelfall umgesetzt werden soll, hat das Bundesministerium für Verbraucherschutz den Kommunen allerdings nicht verraten.
"Dabei hätte es uns sehr geholfen, wenn uns mit dem neuen Gesetz auch eine konkrete Durchführungsverordnung an die Hand gegeben worden wäre", klagt Triers Ordnungsdezernent Thomas Egger, selbst Jurist.
Ein Trierer Lebensmittelgeschäft hat sich bereits erfolgreich juristisch gegen den von der Stadt geplanten Eintrag auf der sogenannten Schmuddelliste gewehrt (siehe Artikel auf Seite 1). Auch die beiden anderen Betriebe, deren Namen bereits inklusive der festgestellten Mängel auf der städtischen Internetseite zu lesen waren, sind von der Schmuddelliste verschwunden.
"Wir haben uns entschieden, erst mal keine Einträge mehr vorzunehmen, bis das Verwaltungsgericht auch den zweiten Fall entschieden hat. Danach sehen wir weiter", sagt Rathaus-Pressesprecher Hans-Günther Lanfer.
Der hauptsächliche Streitpunkt zwischen Kommunen, Betrieben, Verwaltungsgericht und Gesetzgeber: Reichen hygienische Mängel, wie zum Beispiel ein Schimmelrasen im Kühlschrank, aus, um Verbraucher im Internet vor dem Verzehr von Speisen, Brötchen oder Wurst aus dem jeweiligen Lebensmittelbetrieb zu warnen?
Oder müssen am Kontrolltag konkret verdorbene Lebensmittel aufgefunden werden, um einen Eintrag auf der Schmuddelliste zu rechtfertigen? Im Fall des Trierer Lebensmittelgeschäfts hat das Amtsgericht entschieden, dass Mängel wie ein nicht aufgefüllter Papierhandtuch- und Desinfektionsmittelspender, ein Riss in der Glasscheibe der Fleischtheke und ähnliche Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz nicht genügen, um den Betrieb im Internet anzuprangern.
Das einstweilige Rechtschutzverfahren stützt sich allerdings alleine auf eine schriftliche Stellungnahme der Stadt, eine Verhandlung mit Zeugen oder Gutachtern hat es nicht gegeben. "Hätte die Stadt argumentiert, dass die festgestellten Hygienemängel tatsächlich negative Auswirkungen auf die Qualität der angebotenen Lebensmittel haben, hätte unser Beschluss auch anders ausfallen können", erläutert Gerichtssprecherin Heidi Heinen die Einzelfallentscheidung.
Einträge gelöscht


In einem zweiten Betrieb hatte die Stadt laut Kontrollbericht ganz konkret "zum menschlichen Verzehr nicht geeignete Lebensmittel" gefunden. Der Eintrag auf der Schmuddelliste ist am Freitag aufgrund einer Anweisung des Gerichts gelöscht worden. "Mit dieser Anweisung haben wir allerdings noch nicht bewertet, ob der Eintrag rechtens ist oder nicht", betont Gerichtssprecherin Heinen. Dafür müsse das Gericht erst die Sachlage prüfen, was Anfang nächster Woche passieren soll.
Den Namen des dritten Betriebs, der seit dem 13. November auf der städtischen Internetseite zu lesen war, hat die Stadt am gestrigen Dienstag gelöscht. Ähnlich wie bei dem Lebensmittelgeschäft hatten die städtischen Kontrolleure auch hier keine konkret verdorbenen Lebensmittel gefunden, dafür allerdings eine ganze Liste anderer Hygienemängel. "Es wurde lediglich eine Grundreinigung angeordnet", betont der Rechtsanwalt des Inhabers des Schnellrestaurants. "Geschlossen hat der Betrieb meines Mandanten derzeit alleine wegen eines Wasserrohrbruchs, der eine umfassende Renovierung erfordert."Meinung

Kein Eintrag, kein Rechtsstreit
Was gefährdet die Gesundheit? Das ist die Kernfrage im Streit um die Schmuddelliste. Reicht ein Schimmelteppich im Kühlschrank aus, um den Betrieb im Internet anzuprangern? Oder geht das erst, wenn auch dem Schnitzel Haare gewachsen sind? Es scheint, als sei die 350-Euro-Bußgeldgrenze alleine nicht geeignet, diese Frage zu entscheiden. Wie das Bundesgesetz im Einzelfall anzuwenden ist, müssen daher wohl die Gerichte bewerten - genauso, wie es in der Anlaufzeit vieler neuer Gesetze meist nötig ist. Trier hätte die Entwicklung und Rechtsprechung in anderen Kommunen abwarten können. Kein Eintrag in der Schmuddelliste, kein Rechtsstreit, keine Kritik am Verwaltungshandeln hätte dann die Formel gelautet. Die Stadtverwaltung hat es sich aber so einfach nicht gemacht, sondern zumindest versucht, ein geltendes Gesetz umzusetzen - und ist dabei gescheitert. c.wolff@volksfreund.de

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