27 Tage für 335 Kilometer

Der Strafvorwurf ist simpel, aber der Weg zum Prozess ist kompliziert: Weil ein 36-Jähriger, der momentan in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart einsitzt, in der Vulkaneifel einen Betrug über 1000 Euro begangen haben soll, wurde er vier Wochen lang von Gefängnis zu Gefängnis gebracht, um selbst in Daun vor dem Amtsgericht auszusagen.

 Der 36-jährige Angeklagte (Mitte), der wegen Betrugs vorm Dauner Amtsgericht stand, wird zurück ins Gefängnis gebracht. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

Der 36-jährige Angeklagte (Mitte), der wegen Betrugs vorm Dauner Amtsgericht stand, wird zurück ins Gefängnis gebracht. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

Daun. Wenn deutsche Juristen vom "JVA-Transportwesen" reden, meinen sie quasi den Busfahrplan von Gefängnis zu Gefängnis. Hans Schrot, Vorsitzender Richter am Dauner Amtsgericht, erklärt: "Um einen Gefangenen zu einem Prozess zu bringen, können nicht zwei Beamte mit einem Fahrzeug abgestellt werden. Deshalb wurde ein Bus-System innerhalb der deutschen Gefängnisstruktur entwickelt."

In Sammeltransporten werden die Insassen nach einem Fahrplan durch Deutschland gefahren. Bei weiten Transporten müssen die Häftlinge bis zum nächsten Sammeltransport in Ausweichzellen übernachten.

Für den in Daun 36-jährigen Angeklagten bedeutete das: Abfahrt am 7. Mai in Stuttgart und Rückkehr voraussichtlich am 2. Juni. 27 Tage für 335 Kilometer. Die "Reise" ging von Stuttgart über Heilbronn, Mannheim, Ludwigshafen, Alzey, Rohrbach, Koblenz, Wittlich und Trier bis nach Daun und zurück. Richter Schrot erklärt, dort, wo die Straftat begangen wurde, sei das Gericht zuständig: "Wir können die Strafakten nicht nach Belieben hin- und herschicken."

Für die JVA Wittlich fallen jährlich rund 20 solcher Fahrten an. Deren stellvertretender Leiter erklärt: "Es ist unglücklich, dass diese eine Tour so lange dauert. Durchschnittlich dauert es nur halb so lange." Im Internet betreiben Häftlinge eine Webseite unter Knast.net. Darin vergeben sie unter "Hotelführer" für die JVAs Wertungen ab. Die Wittlicher JVA hat danach drei von fünf Sternen und die Trierer JVA zwei von fünf. Extra Beim Prozess musste sich der 36-jährige Angeklagte wegen eines mutmaßlichen Betrugs verantworten. Im Juli 2004 soll er eine Werkstatt in der Verbandsgemeinde Gerolstein um 1000 Euro (Ersatzteile und Reparatur) betrogen haben. Auf die ursprüngliche Rechnung von 1200 Euro hatte er 200 Euro Anzahlung geleistet. Das Gericht sah es als bewiesen an, dass er niemals vorhatte, den Restbetrag zu begleichen. Der Angeklagte, 14-fach vorbestraft (Betrug, schwerer Diebstahl, räuberische Erpressung, Körperverletzung), bestreitet die Betrugsvorwürfe. Er habe nie vorsätzlich gehandelt. Kurz vorm Prozess erhielt der Werkstattbesitzer das Geld für die offene Rechnung via Banküberweisung, fast fünf Jahre nach Ablauf der Zahlungsfrist. Das Gericht verurteilte den 36-Jährigen zu 700 Euro Geldstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da sich der Angeklagte die Berufung vorm Landgericht vorbehält. (vog)

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