Braucht Mineralwasser ein Bio-Siegel?

Trier · Bio-Siegel und -Etiketten liegen im Trend. Die bayerische Brauerei Neumarkter Lammsbräu kämpft vor dem Bundesgerichtshof um ihren Namen Bio-Mineralwasser. Der Verband Deutscher Mineralbrunnen, der auch die regionalen Betriebe in der Eifel und im Hunsrück vertritt, hält die Sache eher für einen Werbegag.

Trier. Bio-Eier, Bio-Fleisch, Bio-Bier: Gesonderte Etiketten für nachhaltige und ökologisch hergestellte Produkte gibt es bereits. Und die Kunden schenken solchen Produkten den Erfahrungen nach besonderes Vertrauen, denn sie werden speziell kontrolliert und müssen zusätzliche Herstellungsbedingungen einhalten. Bio-Ware boomt. Diese Sparte im Lebensmittelhandel will sich nun auch die bayerische Brauerei Neumarkter Lammsbräu aus der Oberpfalz zunutze machen und verkauft seit einiger Zeit ein Mineralwasser mit Bio-Etikett.
Irritation beim Verband


Das Wasser sei natürlich rein und zusätzlich biologisch korrekt, heißt es bei dem Unternehmen. Dazu hat die Brauerei eigens die "Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser" gegründet und 50 Öko-Kriterien definiert.
Der Bio-Sprudel sorgt seitdem beim Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM) und seinen mehr als 200 Mitgliedsunternehmen für den berühmten Sturm im Wasserglas. Der VDM vertritt auch die Brunnen aus der Region Trier: den Gerolsteiner Brunnen als Anbieter der meistkonsumierten Mineralwassermarke Deutschlands, die Nürburg Quelle in Dreis-Brück (Vulkaneifelkreis) und den Hochwaldsprudel in Thalfang (Landkreis Bernkastel-Wittlich). Hier ist man eher überrascht bis erstaunt ob des Ansinnens der Kollegen aus Neumarkt. "Was kann mehr bio sein als Mineralwasser?", heißt es dazu lediglich aus Gerolstein. Und Hermann Kreuter, Geschäftsführer der Nürburg Quelle, hält die Sache für einen Marketing-Coup. "Mineralwasser ist bereits ein natürliches Produkt", sagt er. Allein die Idee, dies gesondert vermarkten zu wollen, hält er für Geldmacherei. "Für uns kommt so etwas nicht infrage", sagt Kreuter.
"Jeder braucht seine Nische im Markt, um bestehen zu können", kommentiert Meike Strenger, Sprecherin des VDM, das Ansinnen. "Es gibt schon ein inflationäres Verhalten bei Siegeln und den Worten Bio und Öko."
Und so steht die kleine bayerische Brauerei, die gleichzeitig Deutschlands führender Bio-Bierbrauer ist, gegen die Wettbewerbszentrale als Selbstkontrollinstanz der Wirtschaft vor dem Bundesgerichtshof, um für das Bio-Siegel bei der hauseigenen Marke Bio-Kristall zu kämpfen. Zwar wurde dem Unternehmen zugesagt, das Wort Bio benutzen zu dürfen. Das bekannte Siegel oder eine Kopie davon jedoch nicht. Nun wird weiter verhandelt, denn die Klägerin sieht sich im Recht, das Siegel aufgrund der Zusammensetzung ihres Wassers sowie der Produktsicherheit und Schadstoffminimierung führen zu dürfen.
Die Wettbewerbszentrale ihrerseits will dem Sprudelhersteller verbieten lassen, das Bio-Prädikat zu verwenden.
Dabei sind die Vorschriften aufgrund der 1984 eingeführten Mineral- und Tafelwasserverordnung schon umfangreich. "Es ist ein langer Prozess, eine Quelle zu erschließen", sagt VDM-Sprecherin Strenger und verweist auf mehr als 200 Einzeluntersuchungen bis zur Erteilung der amtlichen Anerkennung. "Das kann ein bis zwei Jahre dauern." Hinzu komme, dass Mineralwasser kein landwirtschaftliches Erzeugnis sei, für das die EU-Öko-Verordnung bislang gelte (siehe Extra).
"Von der Quelle bis zur Flasche ist es ein geschlossenes System, das regelmäßig von unabhängigen Instituten und Haus-Laboren überprüft wird", sagt Strenger.
Welche Auswirkungen das haben kann, haben die Eifeler aus Birresborn (Vulkaneifelkreis) erlebt. 2003 wurden die Quellen der Gerolsteiner-Tochter Phönix-Sprudel geschlossen, nachdem in den Quellen Schadstoffe festgestellt worden waren.
Keine Konkurrenzangst


Große Angst vor Konkurrenz durch den bayerischen Bio-Sprudel braucht die Branche ohnehin nicht zu haben. Lediglich 2000 Liter Bio-Kristall hat Lammsbräu im vergangenen Jahr verkauft. Dem stehen stehen 135 Millionen Hektoliter im gesamten Mineralwassermarkt gegenüber. Und die Perspektiven sehen gut aus: Konnte der Absatz 2011 um 2,4 Prozent gesteigert werden, rechnet der VDM auch für 2012 mit einem Wachstum. "Früher war Wasser nur Durstlöscher, heute entspricht es dem Zeitgeist, immer eine Wasserflasche dabeizuhaben", sagt Strenger.
Extra

Noch vor wenigen Jahren hatten Verbraucher wenig Überblick über die zahlreichen Öko-Kennzeichen. Darum wurde 2001 das staatliche Bio-Siegel ins Leben gerufen. Bioprodukte sind dank des Bio-Siegels heute auf einen Blick zu erkennen. Mit dem Bio-Siegel können Produkte und Lebensmittel gekennzeichnet werden, die nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau produziert und kontrolliert wurden. Diese EU-weit gültigen Rechtsvorschriften garantieren einheitliche Standards für den ökologischen Landbau. Das Bio-Siegel steht für eine ökologische Produktion und artgerechte Tierhaltung. Dazu müssen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs zu mindestens 95 Prozent aus dem ökologischen Landbau stammen. Nur Erzeuger sowie Verarbeitungs- und Importunternehmen, die den Anforderungen der Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau gerecht werden und sich den vorgeschriebenen Kontrollen unterziehen, sind berechtigt, ihre Produkte unter den Bezeichnungen "Bio" oder "Öko" zu verkaufen. Eine Imitation des Kennzeichens ist jedoch nicht legitim, da der Verbraucher in die Irre geführt werden kann. sas

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