Mario Draghi wird dritter EZB-Präsident

Brüssel · Noch ist der designierte EZB-Präsident Mario Draghi gar nicht im Amt, da droht neuer Streit: Weil mit Draghi der zweite Italiener in die Spitze der Notenbank rückt, will Frankreich Lorenzo Bini Smaghi aus dem Direktorium drängen - und den Platz mit einem Franzosen besetzen.

Brüssel. Der Italiener Mario Draghi (63) soll der dritte Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Die Finanzminister des Eurogebiets nominierten am Montagabend in Brüssel den italienischen Notenbank-Chef als Nachfolger von Jean-Claude Trichet (68). Der Franzose scheidet nach acht Jahren an der Spitze der EZB Ende Oktober aus.
Es gab keinen weiteren Kandidaten, wie der Vorsitzende der Finanzminister der Eurozone, Luxemburgs Jean-Claude Juncker, sagte. Juncker lobte Draghi wegen seines exzellenten internationalen Rufs. "Das ist ein Mann, der in seiner Person alle Elemente versammelt, die man haben muss, um ein würdiger Nachfolger von Jean-Claude Trichet zu sein."
Hinweis auf Verträge


Die EZB ist neben der amerikanischen Federal Reserve weltweit die wichtigste Notenbank - zuständig für die Währung von 17 Ländern mit rund 330 Millionen Einwohnern. Der Notenbankchef gilt als "Mr. Euro", der die Gemeinschaftswährung nach außen vertritt.
Draghis Nominierung könnte allerdings neuen Streit auslösen, denn mit Lorenzo Bini Smaghi sitzt bereits ein Italiener im sechsköpfigen Direktorium der EZB. Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde forderte, dass Bini Smaghi nun "mit Eleganz" seinen Platz für einen Franzosen räumen sollte.
Die EZB wollte dies am Dienstag nicht kommentieren. Die Notenbank verweist lediglich auf geltende Verträge: Danach werden Direktoriumsmitglieder vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ausgewählt und ernannt. Die Amtszeit beträgt acht Jahre, bei Bini Smaghi läuft sie Ende Mai 2013 aus. In einem Interview mit dem Wall Street Journal sagte Bini Smaghi: "Ich habe einen Job bis 2013, also liegt meine Zukunft hier."
Entlassen werden können Direktoriumsmitglieder nicht. Sie können nur bei grobem Fehlverhalten durch einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofes aus ihrem Amt entfernt werden oder freiwillig zurücktreten. Nach Einschätzung von Experten könnte der Italiener nur weichen, wenn ihm ein anderes internationales Spitzenamt angeboten würde.
Draghis Weg an die EZB-Spitze wurde frei mit dem Rücktritt von Axel Weber. Ursprünglich wollte Deutschland den damaligen Bundesbank-Chef als obersten Währungshüter des gemeinsamen Euro-Währungsraums installieren. Seine lautstarke Kritik an der Krisenpolitik der EZB, insbesondere am Kauf von Staatsanleihen zur Rettung hochverschuldeter Länder, isolierte Weber aber, der schließlich sein Amt und damit auch mögliche EZB-Ambitionen aufgab.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden bei ihrem Gipfeltreffen am 24. Juni endgültig über die Spitzenpersonalie entscheiden. Zuvor muss noch das Europaparlament angehört werden; auch die EZB hat das Recht zu einer Stellungnahme.
Kritiker vor allem in Deutschland bemängeln, dass Draghi aus einem hoch verschuldeten Euro-Land stammt. Kenner beschreiben den Bank- und Finanzexperten aber als ausgezeichneten Fachmann und siedeln ihn eher unter den geldpolitischen Hardlinern (Falken) als unter den Tauben an, die eine lockere Geldpolitik bevorzugen.
Ähnlich wie Weber hatte sich auch Draghi kritisch über das Aufkaufprogramm für Staatspapiere geäußert, weil er die Unabhängigkeit der Zentralbank in Gefahr sieht.
Der frühere niederländische Notenbankchef und Finanzminister Wim Duisenberg wurde 1998 zum ersten Präsidenten der EZB berufen und stand bis Oktober 2003 an der Spitze der Notenbank. Duisenbergs Verdienst war es, den jungen Euro international hoffähig zu machen. 1999 wurde unter seiner Regie der Euro aus der Taufe gehoben, 2002 das neue Bargeld eingeführt. Duisenberg starb 2005. Der frühere französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet versprach gleich nach dem Amtsantritt 2003, er werde eine strikte Stabilitätspolitik verfolgen. Unter Trichet hatte die EZB ihre große Bewährungsprobe, als die US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 pleiteging. Ohne den Rücktritt des damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber hätte sich Mario Draghi seiner Kandidatur nicht sicher sein können. Dabei gilt der bisherige Chef von Italiens Zentralbank weltweit als bestens geeignet - auch weil er Politikern öffentlich Kontra gibt. dpa

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