Molkereien wittern Geschäft in Fernost

Thalfang/Pronsfeld · Die Regale für Babynahrung sind leer, der Frust vieler Mütter ist groß. An steigenden Kinderzahlen in Deutschland liegt es nicht, dass der Marktführer für Säuglingsmilch, Milupa, mit der Produktion nicht mehr hinterherkommt.

Säuglingsmilch zum Anrühren ist Mangelware, weil das Vertrauen chinesischer Mütter in einheimische Milchprodukte erschüttert ist und viele deshalb zu westlichem Pulver greifen. Die zwei größten Molkereien in Rheinland-Pfalz wittern bereits das große Geschäft in Fernost - und schrauben die Produktion hoch. Grund für den Boom deutscher Babynahrung ist die Besorgnis chinesischer Mütter: Erst der Skandal um durch Melamin verseuchte Babynahrung 2008 - damals starben in der Volksrepublik mindestens sechs Kleinkinder, etwa 300 000 weitere erkrankten ernsthaft -, dann die Funde bedenklicher Mengen Quecksilber in Trockenpulver für Säuglingsmilch im Vorjahr.

Schwarzhandel blüht

Milupa war auf den Ansturm chinesischer Mütter nicht vorbereitet. Der deutsche Marktführer errichtet gerade eilig eine zweite Produktionslinie. Am Unternehmenssitz in Fulda werden in diesem Quartal 2,5 Millionen Packungen der von den Engpässen betroffenen Produkte Milumil und Aptamil hergestellt - sieben Tage die Woche, im Drei-Schicht-System. Die Nachfrage sei sprunghaft gestiegen. Dabei exportiert Milupa gar nicht nach China, und deutsche Mütter greifen auch nicht häufiger zum Milchersatz. Milupa vermutet deshalb chinesische Grauimporte.
Säuglingsnahrung aus Europa kostet in China oft das Vier- bis Sechsfache der deutschen Preise. Im Land der Ein-Kind-Politik ist den Eltern das Wohl der Sprösslinge diese Preise wert. Über chinesische Internetplattformen suchen Eltern gezielt nach deutschen Produkten - mit deutscher Schrift.

Der schwarze Handel mit dem weißen Milchpulver blüht. Der asiatische Durst nach europäischer Milch treibt die Milchpreise nach oben - auch in Rheinland-Pfalz. Milch könnte schon ab nächster Woche teurer werden. Was davon bei den rheinland-pfälzischen Milchbauern hängen bleibt, ist allerdings noch unklar. "Wir bekommen die Möglichkeit, eine weitaus höhere Veredelung und somit einen höheren Wert für eine Milchmenge zu erhalten, die wir ansonsten auf dem globalen Industriemarkt verkaufen müssten, wo die Gewinne gewöhnlich weitaus niedriger sind", sagte der Sprecher des skandinavisch-deutschen Molkereikonzerns Arla, Wolfgang Rommel. In Rheinland-Pfalz betreibt Arla seine größte deutsche Produktionsstätte. In Pronsfeld (Eifelkreis Bitburg-Prüm) baut der Konzern gerade ein neues Werk (der TV berichtete mehrfach), auch um den rasant wachsenden asiatischen Markt zu bedienen. Im Herbst soll dort die Produktion starten. Arla will in dem neuen Werk sowohl Trockenmilchpulver als auch Mischstreichbutter herstellen. Das Pulver soll auch nach China exportiert werden. Für das neue Werk investiert der Konzern zwischen 80 und 90 Millionen Euro. Ob in Pronsfeld künftig auch Milchpulver für Säuglinge hergestellt wird, ließ Arla offen. Die Herstellung sei extrem aufwendig.
Trotzdem werden rheinland-pfälzische Molkereien vom wachsenden chinesischen Markt profitieren. "Der Konsum von Molkereiprodukten in China wächst schneller als die Produktion im Land", sagt Rommel. Arla geht davon aus, dass China im Jahr 2020 die USA als größten Markt für Molkereiprodukte überholt. Der Konzern plant Milliardeninvestitionen in Fernost und will seinen Umsatz in China bis 2016 verfünffachen - auf rund 460 Millionen Euro.

Rohstoff für einen Hersteller

Die rheinland-pfälzische Molkerei Hochwald mit Stammsitz in Thalfang (Kreis Bernkastel-Wittlich) plant den Bau einer Anlage zur Entmineralisierung und Trocknung von Molke. Entmineralisiertes Molkepulver wird für die Herstellung von Säuglingsnahrung benötigt. Das Unternehmen investiert dafür rund 60 Millionen Euro.
Schon 2015 soll die Anlage in Hünfeld bei Fulda - 25 Kilometer vom Milupa-Unternehmenssitz entfernt - in Betrieb genommen werden.
Hochwald exportiert in mehr als 100 Länder, auch nach China. Der Rohstoff für Kindernahrung soll aber nur an einen Hersteller geliefert werden.
Auch internationale Exporte sind nicht geplant. Welcher Hersteller sich eine langfristige Zulieferung mit entmineralisiertem Molkenpulver gesichert hat, wollte Hochwald nicht verraten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort